Deutschlands größte Airline Lufthansa will in den kommenden Jahren tausende Stellen streichen. Bis 2030 sollen 4000 Jobs wegfallen. Konzernchef Carsten Spohr will das Personal vor allem in der Verwaltung einsparen, wie er am Montag kurz vor einer wichtigen Investorenkonferenz ankündigte.
Den Investoren muss der Vorstand regelmäßig Rechenschaft ablegen, Sparpläne kommen da in der Regel gut an. Großes Potenzial für Einsparungen hat die Fluggesellschaft nicht, da sie bei den operativen Kosten für den Flugbetrieb und bei den Investitionen in neue Maschinen kaum Abstriche machen kann.
Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Pläne zum Stellenabbau, spricht von "Kahlschlag" und "drastischem Personalabbau", doch Experten teilen diese Einschätzung nicht. "Das ist kein Kahlschlag", sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt zu Capital. Tatsächlich entsprechen die 4000 Stellen nur 3,9 Prozent der knapp 102.000 Beschäftigten der Lufthansa Group. "Das ist überschaubar", so Großbongardt. Die meisten dieser Jobs werden demnach durch normale Fluktuation wegfallen und indem Positionen nicht nachbesetzt werden.
So ähnlich klingt das auch bei der Lufthansa: Man wolle die Einsparungen durch Digitalisierung, Automatisierung und effizientere Prozesse umsetzen. Die Lufthansa-Gruppe gilt als komplexer Konzern mit vielen Doppelstrukturen, die über die Jahre besonders durch Zukäufe anderer Airlines entstanden sind. Der Konzern hat also noch Spielraum, die administrativen Aufgaben bei den vielen Tochtermarken zusammenzulegen. Welche Jobs genau betroffen sein werden und wie sich das konkret auf die Abläufe im Konzern auswirkt, führte die Lufthansa nicht aus. Die offizielle Ankündigung solcher Pläne ist das eine, die spätere Umsetzung das andere – in der Regel wird dann nicht mehr im Detail nachgefragt oder nachgehalten.
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"In Großunternehmen muss man regelmäßig durchkämmen", sagt Großbongardt. "Das ist eine weitgehend normale Restrukturierung und Straffung." Der MDax-Konzern will durch die Maßnahme seine bereinigte Umsatzrendite ab 2028 auf acht bis zehn Prozent schrauben. Bisher war das Ziel acht Prozent, was die Unternehmensgruppe wegen hoher Kosten aber selten schaffte.
Keine Auswirkungen für Lufthansa-Kunden
Für Kunden werden die angekündigten Sparmaßnahmen von Lufthansa keine nennenswerten Auswirkungen haben, glaubt Großbongardt. "Die Service-Offensive ist davon unberührt und die läuft weiter." Das betont die Lufthansa in ihrer Ankündigung selbst nicht besonders stark, sondern belässt es bei einem knappen Schlusssatz: "Der Fokus liegt dabei (beim Stellenabbau; Anm. d. Red.) auf den administrativen und nicht den operativen Rollen." Der Konzern weiß, wie fatal es ist, an Servicepersonal zu sparen – das hatte das Kofferchaos vor drei Jahren gezeigt, als es an Mitarbeitern in der Abfertigung gefehlt hatte.
Das größere Thema für den Lufthansa-Konzern ist laut Experten die von Spohr geplante Zentralisierung und wie diese umgesetzt wird. Bereits Mitte September hatte Lufthansa bekanntgegeben, dass wichtige Funktionen ihrer Airlines zusammengeführt werden sollen: Die Flugnetze der Kurz- und Mittelstrecke von Lufthansa, Swiss, Austrian und Brussels Airlines sollen ab Januar 2026 zentral gesteuert werden. Auch die IT-Funktionen der Drehkreuz-Airlines werden gebündelt.
Bald Tarifverhandlungen
Die jetzt angekündigten Stellenstreichungen sollten keinesfalls bei der IT passieren, sagt Luftfahrtexperte Gerald Wissel. "Spohr will auf Digitalisierung setzen. Dann wäre es seltsam, in dem Bereich zu sparen, wo man besser werden will." Wissel sieht die Job-Ankündigung mehr als "Beruhigungspille für den Kapitalmarkt, die nur Symptome kuriert". Statt immer neue Airline-Töchter zu gründen, um damit Druck auf die Tarifpartner auszuüben, sollten sich Konzernführung und Sozialpartner schnellstmöglich auf einen gangbaren Weg einigen. "Noch mehr Airlines führen nur zu noch mehr Komplexität und Kosten", sagt Wissel.
Die Ankündigungen zur Straffung im Konzern sind nicht nur ein Zeichen an Investoren, sondern auch an Gewerkschaften. Zum Jahreswechsel beginnt die Tarifrunde für die rund 20.000 Bodenbeschäftigten des Lufthansa-Konzerns. "Einen Kahlschlag am Lufthansa Boden zu Lasten der Beschäftigten nehmen wir nicht hin. Dazu werden wir die anstehende Tarifrunde nutzen", so Verdi-Verhandlungsführer, Marvin Reschinsky. Die Gewerkschaft will bei den geplanten Verhandlungen eine Arbeitsplatzabsicherung erreichen.
Nächstes Jahr feiert die Lufthansa ihr 100-jähriges Bestehen. Spohr täte also gut daran, die größten Streitpunkte schnell abzuräumen. Das Jubiläum jedenfalls sieht Experte Großbongardt auch als einen Grund für die geplante Straffung: "Carsten Spohr will nicht mit roten Zahlen ins Jubiläumsjahr gehen." An der Börse scheint sein Plan gut anzukommen. Am Montagvormittag stieg die Lufthansa-Aktie zeitweise um knapp zwei Prozent nach oben.
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