Freiwillige in Australien Das Great Barrier Reef ist bedroht: Wie Urlauber Hilfe leisten

Am Great Barrier Reef untersuchen Helfer Korallen, säubern Strände – und geben so dem Reisen einen tieferen Sinn.
Oceans2Earth-Freiwillige schnorcheln in den flachen Riffen von Fitzroy Island
Während sie vor Fitzroy Island schnorcheln, dokumentieren Teilnehmer des "Island Reef Research and Conservation"-Program, wie gesund die Korallenbänke sind
© Jürgen Freund

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Sie schwimmt vor der einsamen tropischen Insel, nach der sie sich monatelang gesehnt hat: türkisblaues Wasser, ein weißer Korallenstrand, dahinter baut sich der Regenwald auf, in dem Kakadus nisten. Fitzroy Island. Was für ein traumhafter Ort! Für Denise Stewart jedoch hat der Tag hier eher wie ein Albtraum begonnen.

Stewart kann unter Wasser kaum mehr als Schemen erkennen, so trüb ist das Meer. Immer wieder beschlägt ihre Taucherbrille. Der hautenge Lycra-Anzug zum Schutz vor Quallen zwickt. Und jederzeit, so befürchtet sie, könnten Haie auftauchen. Oder, viel schlimmer: Seewespen. Die berüchtigten Würfelquallen Australiens ziehen ihre Tentakel in hauchdünnen Fäden von bis zu drei Meter Länge kaum sichtbar durchs Wasser und können einen Menschen mit ihrem Gift innerhalb von Minuten zu Tode lähmen. Wie soll man sich da darauf konzentrieren, Korallen und Fische am Riff zu bestimmen? Denise Stewart ist 54 Jahre alt, selbstbewusst, kräftig, Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie stammt aus Ontario, fern der Küste. An Schnorchel, Tauchmaske und Flossen muss sich die Kanadierin erst gewöhnen: Im Indopazifik schwimmt sie zum ersten Mal. Wie alle anderen aus der Gruppe trägt sie eine Farbtafel für den Gesundheitscheck von Korallen mit sich, dazu eine wasserfeste Tabelle, in die sie mit einem Bleistift die Zahl der Falterfische, Forellen- und Zackenbarsche am Riff eintragen soll. Gar nicht einfach: Für Stewart sehen die bunten Fische fast alle gleich aus. Und sie muss gegen die Strömung kämpfen, ein wenig auch gegen ihre Angst.

Denise Stewart am Strand.
Die Kanadierin Denise Stewart war Büroleiterin, heute hilft sie, das Meer zu schützen
© Lars Abromeit / Geo

Sie könnte am Rettungsring Halt suchen, den Amy Hirayama, die Helferin ihrer Gruppe, dafür mit ins Wasser genommen hat. Aber Stewart beschließt, sich zusammenzureißen, die Riff-Untersuchung zu Ende zu bringen. Nur zehn Minuten noch, so lang hält sie durch. Sie ist schließlich nicht zum Vergnügen bis nach Australien gereist. Sie ist hier, um Korallen zu helfen – die Welt ein Stück besser zu machen.

Denise Stewart ist keine Wissenschaftlerin. Sie kennt sich mit Rechnungen besser aus als mit Fischen, hat jahrelang als Büroleiterin einer Arztpraxis in Ontario gearbeitet. Nun aber nimmt sie sich Zeit für den Meeresschutz: In einem Volontärsprojekt am Great Barrier Reef prüft sie mit ihrer Gruppe Korallenbänke auf Hitzeschäden und Krankheiten. In den kommenden Tagen werden die Freiwilligen die Strände der Insel von Plastik säubern, sie werden Verhaltensmuster von Meeresschildkröten beobachten und ihre Daten so aufbereiten, dass sie für längerfristige Schutzprogramme genutzt werden können.

Erschienen in stern 14/2024

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