Liebe stern-Leser!
Mit einem Bericht über die Foltervorwürfe gegen amerikanische und britische Soldaten verabschiedet sich stern-Reporter Christoph Reuter vorläufig aus dem Irak. Seit Februar 2003, rund einen Monat bevor der Krieg begann, hat sich Reuter fast ununterbrochen dort aufgehalten. Im Herbst vergangenen Jahres bezog er mit seiner Freundin, der Journalistin Susanne Fischer, eine unauffällige Wohnung in der Innenstadt. Dort fühlten sie sich sicherer als in den Hotels, die zwar verbarrikadiert, aber als Ausländer-Schutzburgen bekannt waren.
Nun kehren sie zurück aus einer Welt, die oft so ganz anders ist als jene, mit der uns das Fernsehen vertraut macht. Denn das Bagdad der Nachrichten ist eine Stadt der permanenten Explosionen, Schießereien, der Toten, der Angst und der leeren Straßen. Die beiden aber haben auch das andere Bagdad kennen gelernt und beschrieben: das der alten Gärten, Palmenhaine, der endlosen Abendessen auf Terrassen, der zahllosen Geschichten aus den Jahrzehnten der Diktatur; sie haben das Bagdad des hoffnungsvollen Aufbruchs erlebt, wo Menschen fasziniert vor Computern in neuen Internetcafés saßen, Firmen eröffneten und ganze Familien abends auf der Dschadrija-Brücke picknickten und sich dabei den Sonnenuntergang über dem Tigris ansahen.
In den vergangenen Monaten war das Leben jedoch immer unsicherer und damit enger geworden. In Christoph Reuters Lieblingssaftbar wurde vor den Augen von Freunden ein Mann erschossen. Der Nachbar von Bekannten kam um, weil er als Fahrer für zwei Übersetzerinnen der Amerikaner arbeitete. Das "Nabil", Reuters Lieblingsrestaurant, wurde zu Silvester in die Luft gesprengt, der Bruder seines Übersetzers entführt und ermordet.
Reuters Sammlung von Passierscheinen einzelner Milizen ist zwar enorm umfangreich, dennoch sind Überlandfahrten auch für ihn lebensgefährlich geworden. Nachts sind die Straßen wieder leer, und unweigerlich wandert der Blick beim Autofahren ständig in den Rückspiegel: Folgt mir jemand?
Selbst viele Iraker verlassen - erneut - das Land. Hier gebe es keine Zukunft, sagen sie. Es könne alles nur noch schlimmer werden: Bleiben die Amerikaner, bricht wieder Krieg aus. Ziehen sie ab, werden all die Milizen und Stämme aufeinander losgehen. Niemand weiß eine Lösung.
Lesen Sie Christoph Reuters vorläufig letzten Irak-Bericht über "Die fröhlichen Folterer".
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn