Nur knapp, so scheint es, ist Deutschland einem Attentat entgangen. Dass die Bomben in den Zügen nicht explodierten, weil die Täter handwerkliche Fehler machten, ist ein schwacher Trost. Entscheidend war die Absicht: Unzählige Menschen sollten gefährdet, verletzt, getötet werden. Viele Experten sind sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis solch ein Anschlag tatsächlich gelingt. Sie kennen nur nicht die drei großen W: Wann, wo, wer?
Der islamistische Terror hat nun also auch Deutschland erreicht. Alle Hoffnungen, unser Land sei nicht Angriffsziel der Fanatiker, sondern allenfalls Ruhe- und Vorbereitungsraum, sind zerstört. Sie waren ohnehin trügerisch: Deutschland ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt am weltweiten "Krieg gegen den Terror", der vor allem ein Krieg gegen al Qaeda und ihre Abkömmlinge ist. Die Bundeswehr ist zu diesem Zweck in Afghanistan und am Horn von Afrika stationiert. Für die Islamisten sind wir Handlanger der Amerikaner, auch wenn wir beim Irak-Krieg nicht mitgemacht haben. Und was für sie noch schlimmer ist: Deutschland steht im Zweifel immer an der Seite Israels - und gehört damit zu den Feinden.
Das könnte auch das Motiv des 21-jährigen Bombenlegers aus Kiel gewesen sein, dessen unauffälliges Vorleben zwischen Uni und Moschee stern-Reporter recherchierten.
Was ist jetzt zu tun? Ob Anti-Terror-Datei, mehr Videoüberwachung oder bewaffnete Zugbegleiter - nach Jahren des politischen Streits sind sich endlich fast alle Parteien einig, diese Maßnahmen pragmatisch zu prüfen: Sind sie geeignet, Anschläge wie in New York, Madrid, London oder jetzt bei uns zu verhindern oder wenigstens rasch aufzuklären? Wenn das beantwortet ist, lautet die nächste Frage: Wie viel staatliche Überwachung und welche Eingriffe in den Datenschutz sind wir bereit hinzunehmen, um ein Stück sicherer zu leben?
Doch es reicht nicht, nur die Symptome zu bekämpfen. Wenn es der Welt nicht endlich gelingt, in Nahost einen dauerhaften Frieden zu vermitteln (oder zu erzwingen), der das Existenzrecht Israels ebenso garantiert wie den Palästinensern einen eigenen Staat, dann liefert dies den Islamisten immer weiter Vorwände für ihren Krieg gegen die westliche Welt. Ein Mann, der dieses Ziel hartnäckig verfolgt, ist der seit kurzem beliebteste Politiker Deutschlands: Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der stern hat ihn auf seiner jüngsten Reise nach Beirut, Jerusalem und Amman begleitet.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn