Editorial Mit nassen Haaren zum Friseur

Liebe stern-Leser! In meiner Kindheit gab es in fast jeder deutschen Küche eine

Liebe stern-Leser! In meiner Kindheit gab es in fast jeder deutschen Küche eine Speisekammer. Auch bei meiner Großmutter. Dort stapelte sie Reis, Mehl und Konserven, vor allem Bohnen und Erbsen. Davon könne man ein halbes Jahr leben, weil, pflegte sie bedeutungsvoll zu sagen, „man weiß ja nie…!“. Gut 40 Jahre ist das her. Damals galt Sparsamkeit noch als Tugend, und Bundespräsidenten ergriffen zum Weltspartag das Wort. Nun scheint die Furcht vor einer ungewissen Zukunft die Deutschen erneut befallen zu haben. Sie kaufen nicht einmal mehr auf Vorrat, sie kaufen am liebsten gar nicht mehr. „Umsätze seit Anfang des Jahres um 20 Prozent gefallen“, meldete vergangene Woche mein Tankstellenpächter und erzählte gleich noch die Geschichte von einem Kunden, Friseurmeister von Beruf, der sehr zu kämpfen habe: „Da kommen die Leute mit nassen Haaren zum Schneiden, um den Preis zu drücken. Trockengefönt wird auch zu Hause!“ Nur ein beiläufig aufgeschnapptes Indiz dafür, dass eine Sparwelle durch Deutschland läuft. Die quasi amtliche Bestätigung kam vorige Woche aus Nürnberg von der Gesellschaft für Konsumforschung: Die „Anschaffungsneigung“ sei zu Jahresbeginn drastisch gesunken. Auch dem Euro geben sie die Schuld, denn der habe die Preise aufwärts getrieben. Jeder sagt jedem ständig, alles sei teurer geworden. Es ist ein Klima-Mix aus tatsächlichen und „gefühlten“ Preissteigerungen, der uns alle knausern lässt. Weil aber Wünsche, Bedürfnisse und Träume beharrlich sind, haben viele Deutsche einen Kompromiss gefunden zwischen Sparen und Prassen: das Schnäppchen. Die Nachfrage nach günstigen Gelegenheitskäufen steigt rapide. Anlass für uns, die sechsteilige Serie „Clever einkaufen & sparen“ zu starten (Seite 186 in der Printausgabe). Für den Auftakt haben wir nicht nur einen Schnäppchen-Atlas für Deutschland zusammengestellt, sondern auch rund um einige europäische Städte die besten Outlet- und Fabrikverkauf-Adressen für Kleidung recherchiert. Diesen Job hat für uns der passionierte Europa-Schnäppchenjäger Henrik Maris übernommen. Der dänische Jurist und Hobby-Shopper (Hemd: Ralph Lauren, Hose: Hugo Boss, Schuhe: Church, Jackett: Cerruti) reist viel – und immer mit seiner Frau (Bluse: Mulberry, Rock: Burberry, Schuhe: Gucci). Maris: „Im Urlaub kaufen alle ein, aus Spaß. Wir tun es auch, aber nach Plan.“ Ein kluges Motto, das wir für unsere Leser über den Urlaub hinaus in den Alltag geholt haben.

Scharping rennt! Der Verteidigungsminister jagt derzeit mit einer Feuerpatsche durch die Gänge seines Ministeriums. Es brennt an allen Ecken. Manche Feuer hat er versehentlich selbst gelegt. Viele gute Gründe, Scharping um ein Gespräch zu bitten (Seite 42 in der Printausgabe), bei dem es auch um den Einsatz des „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) geht. Dass die Elite-Einheit in Afghanistan ist, stand schon am 13. Dezember im stern. Redakteurin Franziska Reich war seinerzeit bei der Abschiedsfeier der Truppe in Calw dabei („Pfarrer, ich habe meine Grabrede geschrieben“, Nr. 51/2001).

Herzlichst Ihr

Andreas Petzold Chefredakteur