The lonely barber Der fahrende Friseursalon von Los Angeles – auch Harry und Meghan sind Kunden

  • von Stefan Grundhoff
Friseur Ryan Rich Lonely Barber
Er kommt zu den Kunden: Ryan Rich verdient sein Geld als fahrender Friseur
© Stefan Grundhoff
Es herrschen schwere Zeiten für das sonst so florierende Kalifornien. Kein Grund für Friseur Ryan Rich als Lonely Barber den Kopf in den Sand zu stecken.

Vier Tage in der Woche steht Ryan Rich mit seinem weißen Mercedes Sprinter auf immer demselben Platz in der kunterbunten Abbott Kinney Road von Venice Beach. Jeder dort kennt ihn, jeder mag ihn und immer Anwohner und Touristen kommen, um sich in der hölzernen Transporterlounge die Haare schneiden zu lassen. "Als der Friseursalon, in dem ich beschäftigt war, infolge der Pandemie beschloss zu schließen, war ich mir erst unsicher, was ich überhaupt machen sollte", sitzt Ryan Rich geradezu nachdenklich in seinem belederten Friseurstuhl und faltet seine Hände, "doch ich wollte diesen Job nicht an den Nagel hängen. Ich mag ihn – den Kontakt mit Menschen. Wenn die Leute nicht in den Laden kommen können, dachte ich – komme ich eben zu den Leuten." Der bärtige 35-jährige, der am liebsten Basecap, Vans und zerrisse Jeans trägt, kaufte für ein paar tausend Dollar einen Mercedes Sprinter und baute diesen in sieben Monaten zum rollenden Barbershop um. Die Kosten: "sechsstellig", wie Ryan betont.

Von außen deutet nichts auf die Holzlounge mit gemütlichem Friseurstuhl hin. Der weiße Sprinter sieht aus wie ein ganz normaler Mercedes Transporter mit hohem Aufbau und langem Radstand. Der Rammschutz vorne hat in Downtown Venice keine nähere Bedeutung, doch wenn Ryan Rich mit seinen Freunden am Wochenende zum Fischen in die Berge fährt, denn nimmt er meist den großen Van und nicht seinen an sich geländegängigeren Toyota 4Runner. 

Friseur
Hier saßen schon Meghan und Harry: Der rollende Salon ist ein Hit in Los Angeles
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Stollenreifen, Zuschauscheinwerfer und Rammschutz reichen, um an die gewünschten Gewässer zu kommen. "Ein Allradantrieb wäre nicht schlecht", lächelt Ryan, "doch meist geht es auch so." Vor Ort ist er mit seinem Friseurmobil autark, denn es gibt einen geschlossenen Wasserkreislauf an Bord, einen Stromgenerator und große Solarpaneele auf dem Dach, die ihn unabhängig machen. Was am Wochenende den ungestörten Fischereitrip ermöglicht, war eine zentrale Herausforderung für den Betrieb des fahrenden Friseursalons. Denn die lokalen Genehmigungsbehörden schüttelten bei der Idee von Ryan Rich, die Haare künftig auf dem Parkplatz zu schneiden, erst einmal vehement den Kopf. 

Der rollende Friseur musste für seine Zulassung kämpfen

"Doch als sie gesehen haben, wie das ganze abläuft, dass ich alle Energie mitbringe und vor Ort nichts verschmutze, haben sie schließlich doch die Genehmigung erteilt. Sie konnten gar nicht anders", erinnert sich Ryan an den März 2021, als sein Geschäft startete. Was langsam begann, hat sich längst zu einer Institution in Venice Beach gemausert. Vier Tage die Woche von Mittwoch bis Samstag arbeitet der ungewöhnliche Friseur hinter der weit geöffneten Schiebetüre seines Transporters auf der Abbott Kinney Road.

"Ein Haarschnitt kostet 70, der Barttrimm 40 Dollar", sagt der einstige Business-Neuling, "doch immer mehr Kunden möchten, dass ich zu Ihnen nach Hause kommen. Dann startet es bei 300 Dollar." Der Grund für die Hausbesuche mag gerade im Großraum Los Angeles nicht überraschen. Viele wollen sich die Mühe nicht machen, zum Friseur zu fahren, andere wollen als Prominente nicht erkannt werden und einige wollen sich beim heimischen Frisurtrimm die eigene Wohnung nicht mit Haaren verschmutzen. Da passt es bestens, dass Ryan Rich als Lonely Barber mit dem Sprinter auf Wunsch selbst am Sonntag in die eigene Einfahrt rollt. Auch ist er gerne das Rahmenprogramm auf einer großen Party. Das hat sich durch die verheerenden Brände im Norden von Los Angeles nicht geändert – im Gegenteil.

Wenn Ryan die große Schiebetür des Transporters öffnet, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen. Der Van ist komplett mit Holz ausgekleidet, an der Rückseite gibt es einen kompletten Waschtisch mit Becken, Spiegel und Ablagen für den perfekten Look. Rechts neben der Tür hängt die Genehmigungsurkunde, die belegt, dass Ryan Rich unter der Lizenznummer AU 192 seinen rollenden Friseursalon betreiben darf. 

Diese sogenannte Vendor Identification muss offen sichtbar ausgehängt sein, damit sich die Kunden auf der sicheren Seite fühlen, dass alles genehmigt wurde. Die eigentliche Schau ist jedoch der historische Friseurstuhl, der auch in einem Salon in Chicago oder New York in den 1930er Jahren stehen könnte. Hier ist er jedoch in dem weißen Sprinter fest im Boden verankert, lässt sich in alle Richtungen drehen oder nach hinten kippen, damit Ryan seine Arbeit ganz genau so machen kann, wie in einem gewöhnlichen Salon.

Auch Meghan und Harry gehören zu seinen Kunden

Damit es auch bei den L.A.-Temperaturen nicht zu heiß wird, gibt es Oberlicht und Klimaanlage. "Doch meistens bleibt einfach die Schiebetür auf", erläutert Ryan, "zudem brauche ich den Generator hinten in der Heckbox eigentlich nie. Da reicht die Photovoltaik Anlage auf dem Dach für den Strom von Computer, Fön oder Rasierern." Auf dem eigenen Smartphone lässt Ryan wie beiläufig ein paar Promi-Fotos durchrutschen. 

Friseur
Alles, was der Friseur braucht
© Stefan Grundhoff

Selbst die abtrünnigen Meghan und Harry aus dem britischen Königshaus gehören zu seinen Kunden, dazu ein paar Sternchen und Stars auf der Musik- oder Filmindustrie. Seine Auftragsbücher sind voll, wobei die meisten Kunden ihn aus Städten wie Santa Monica, Palisades, Malibu, Beverly oder seinem Wohnort in Calabas nach Hause holen – drei Stunden dauert das mindestens. Während beim haarigen Heimspiel maximal drei Kunden pro Tag drin sind, schafft Ryan als One-Man-Show in Venice bis zu 14 Kunden pro Tag. Gebucht werden die Termine auf der eigenen Website.

Ryan Rich liebt seinen Mercedes Sprinter und die gigantische "Mileage" des Vierzylinder-Diesels, der unter der Motorhaube rattert. Doch der neue Mercedes Sprinter lässt ihn grübeln – denn der ist erstmals auch in den USA mit Elektroantrieb zu bekommen. Das wäre doch auch etwas für die Kunden auf der Abbey Kinney Road von Venice Beach oder die Promis von Beverly Hills oder Calabas.