Wenn ein Indie-Musiker aus dem Nähkästchen plaudert, klingen seine Geschichten nicht unbedingt wie große Heldensagen. Zumindest nicht, wenn er ehrlich ist. Sie geben eher wieder, wie das Leben wirklich spielt, handeln von Zufällen, die den eigenen Weg vorzeichnen und damit auch den Weg der Band. Sie erzählen von Streit im Proberaum, vom ersten öffentlichen Auftritt außerhalb der Provinz, von der Angst vorm Scheitern und vom rauen Umgangston in der Großstadt. Im Fall von "Hummel mit Wodka" verraten sie auch die Fügung um eine verloren geglaubte Liebe.

Hamburg, meine Perle

Andreas Eikenroth
Edition 52, 12 Euro
Die augenzwinkernde Eloge an Hamburg, das Mekka für deutsche, britische und amerikanische Independentmusiker, schrieb und zeichnete Andreas Eikenroth. Der 49-Jährige lebt in Gießen, der Stadt mit Deutschlands höchster Studentendichte, über die er sagt: "Gießen ist nämlich zu klein für Pillepalle wie Gentrifizierung und unerbaulichen Kram wie Starbucks, aber groß genug, dass hier die Bands unter der Woche in den Kneipen und Clubs rocken, die am Wochenende in den überfüllten Hallen der Metropolen spielen." Logisch, dass Eikenroth, in seinem "anderen" Leben Bühnentechniker und selbst Musiker, auch die Helden seiner neuen Graphic Novel aus Gießen kommen lässt: die vierköpfige Band Katzov, drei Jungs und eine Frau.
Dank liebevoller Anspielungen kann sich ein Leser, dem Hamburg vertraut ist, durch die Geschichte lächeln. Ein Club namens Krust (haha!), die typische Astra-Knolle und die Kacheln an den Wänden sind ebensolche Instanzen wie die Koberer auf der Reeperbahn, die alten Käpt'ns in den klassischen Seemanns-Eckkneipen und das Nordish by Nature.

Die Band erhält auf ihrer Tour durch die Hansestadt, die aus zwei Auftritten in sehr unterschiedlichen Locations besteht, erste echte Reaktionen vom kritischen Publikum. Also lernt Katzov, auf die Menschen, für die sie spielen, einzugehen - das nennt man wohl Bühnenerfahrung sammeln. Zu der wie nebenbei auch Lebens- und Liebeserfahrung hinzukommt ...
Doch Vorsicht: Wer Hamburg nicht kennt, plant nach der Lektüre möglicherweise einen Clubbesuch. Oder die Lektüre von Eikenroths erster Graphic Novel, mit der er den Icom Independent Preis gewann und die den fröhlichen Titel "Die Schönheit des Scheiterns" trägt.