Dass Studenten auf die Straße gehen und demonstrieren, ist ja im Grunde nichts allzu Ungewöhnliches. Mal wieder plant die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen den Griff in die Tasche der gebeutelten Studierenden und mal wieder regt sich der Protest. Und doch ist es dieses Mal irgendwie anders. Insgeheim hofft die Mehrheit, dass der angepeilte Streik nicht nur eine Woche, sondern wenigstens bis zum 30. Juni andauert: bis zum Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Danach kann man sich ja ruhig wieder mit den Nebensächlichkeiten der Bildungspolitik beschäftigen. Eine Phänomen-Bestandsaufnahme:
1. Flankenwechsel: Flagge zeigen
Sich als Fußballfan an der Uni zu outen, ist ja nicht immer ganz einfach. In der Regel erntet man herablassende Blicke, der Offenbarungseid, gar selbst Fußball zu spielen, macht alles noch viel schlimmer. »Habe ich früher auch mal gemacht«, heißt es da wenigstens von männlicher Seite. »Früher« meint aber »jetzt bin ich schlauer« und vor allem »erwachsener« und ist deshalb streng genommen das Gleiche. Doch die Zeiten ändern sich. Deutschland ist wieder in, zumindest sportlich gesehen. Man hat sogar schon Studierende im Trikot der Nationalelf gesehen, wird gesagt. Natürlich spricht man darüber, denn solche Menschen sind Exoten. Hätte ich selbst eines, würde ich es auch tragen, sagt man sich, kauft sich aber keins. Noch nicht. Vielleicht sollte man aber mal wieder Flagge zeigen - rein sportlich gesehen natürlich. Politik ist was anderes, das muss man sagen. Vor allem zu den Studierenden, die in der Fachschaftsbaracke eine Volxküche betreiben.
2. Übersteiger: Fußball statt Lehre
Seminare werden verlegt, Vorlesungen fallen aus, Dozenten werden plötzlich krank: Es gibt Tage, an denen geht an der Uni einfach nichts mehr. Die Vorrundenspiele von Rudis wackeren Buben sind solche. Als der Dozent fragt, wer denn das Spiel unbedingt sehen muss und daher nicht könne, meldet sich der halbe Kurs ohne Umschweife. Die andere Hälfte, die Frauen, versteht es nicht. Noch nicht. Denn, rein sportlich gesehen, es hat sich was geändert. Der Dozent bleibt auch lieber weg. Der beste Beweis für die neue Euphorie im Akademikerviertel: Die komplette Duplo-Bilder-Sammlung auf dem Schreibtisch in der Sprechstunde. Provokativ platziert. Deutschland ist wichtiger als Lehre, jedenfalls die Nationalelf.
3. Abpfiff: Protest für und gegen
Die Vollversammlung der Uni Münster zum nächsten Sparpaket findet um 17 Uhr statt. Da bleibt noch genügend Zeit, um nach dem Schlusspfiff das Bier auszutrinken und gemütlich zum Protest zu gehen. Und tatsächlich: Dem Protest gegen etwas, mit Transparenten und Bildung-für-alle-sonst-gibt's-Krawalle-Bannern, stehen auch überraschend viele Statements gegenüber, die für (!) etwas stehen: im Deutschlandtrikot, mit Rückennummer. (mk)