Mit der Ausstellung »Europaweit. Kunst der 60er Jahre« unternimmt die Städtische Galerie in Karlsruhe den Versuch, Kunst aus dem Westen mit der aus dem Osten zu konfrontieren. 200 Werke von 80 europäischen Künstlern, die im »Kalten Krieg« der 60er Jahre zwischen dem Ural und dem Atlantik arbeiteten, werden von Sonntag an bis zum 25. August im Lichthof der Galerie gezeigt. Die Schau dokumentiert westliche Abstraktion und östlichen Realismus. Kunst aus einer Wohlstandsgesellschaft trifft auf die einer Mangelverwaltung, Stalin-Büsten sind auf der einen Seite zu sehen, gelbe Quietsche-Entchen auf der anderen.
»Es war höchste Zeit«, sagte die Ausstellungsleiterin Erika Rödiger-Diruf am Freitag zu dem Unternehmen, Ost- und Westkunst vergleichbar zu machen. Die durch Unwissen bedingten Vorurteile gegenüber der Kunst des anderen seien enorm gewesen. »So wenig wie der Osten über die Westkunst informiert war, so wenig wussten wir über die Kunst im Osten«, meinte sie. Der Westen feierte seine Freiheit in der Kunst, wurde abstrakt, und qualifizierte die Kunst des Ostens als »sozialistischen Realismus« ab. Der Osten konterte und definierte die Kunst des Westens als chaotisch und dekadent.
Dabei sind Stilverwandtschaften klar zu erkennen. So machte zum Beispiel die westliche Pop Art am »Eisernen Vorhang« nicht halt. Die Inhalte jedoch sind unterschiedlich: Setzten sich die Westkünstler mit Wohlstandskultur und Konsum auseinander, bestimmten im Osten Parteiapparat und Propaganda auch den künstlerischen Alltag. Repräsentativ sind Jörg Immendorffs »Für alle Lieben in der Welt«, ein aufgeblasenes Baby mit Mao-Zügen als deutliche Kritik an der Konsum- und Plastikwelt im Westen, und Wolfgang Mattheuers »Alter Genosse am Zaun«, ein bewusst doppelsinniges Bild von 1971. Die Ausstellung ist ein Beitrag zu den 16. Europäischen Kulturtagen, die bis zum 4. Mai in Karlsruhe stattfinden.