Kathy Shorr, aufgewachsen in Brooklyn, entdeckte schon früh ihre Leidenschaft fürs Autofahren. Mit 17 Jahren kaufte sie bereits ihr erstes Auto. Woher diese Liebe kam? Ihre Großmutter war das einzige Familienmitglied mit einem Wagen und galt in einer Nachbarschaft, in der nur wenige ein eigenes Fahrzeug besaßen, als emanzipiert. Diese Unabhängigkeit inspirierte die junge Kathy Shorr.
Nach ihrem Schulabschluss machte Shorr das Autofahren zu ihrem Beruf und wurde Limousinenfahrerin. Doch sie verlieh ihrer Arbeit obendrein noch eine kreative Dimension: Sie verwandelte den Innenraum des Fahrzeugs in ein mobiles und luxuriöses Fotostudio. Neun Monate lang fotografierte sie eine Vielzahl von Fahrgästen auf dem Weg zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Abschlussbällen oder quinceañeras. Die Limousine wurde somit zu einer Bühne, auf der sich Menschen aus der Arbeiterklasse in eleganter Garderobe für einen Moment wie Prominente fühlen konnten.
Shorr, so viel ist klar, fühlte sich mit ihren Fahrgästen verbunden und griff, ob bewusst oder unbewusst, auf zwei unterschiedliche Genres in der Geschichte der Fotografie zurück: den Road Trip und das Studioporträt. – JEAN DYKSTRA
Während der Road Trip für Freiheit und Selbstfindung steht, bietet das Studio-Porträt die Möglichkeit, besondere Lebensmomente festzuhalten. Shorrs Limousine stellte einen Raum für besondere Erinnerungen zur Verfügung.
Gegen den Strom
Historisch gesehen wurde Frauen oft die Kompetenz abgesprochen, ein Auto zu beherrschen. Doch, wie die Autorin Chris Lezotte betont, haben Betroffene stets gegen solche Geschlechterstereotypen angekämpft und das Auto als Mittel der Emanzipation genutzt. Auch Shorrs Großmutter verwendete ihren Chevy sowohl für Familienausflüge als auch als Instrument der Freiheit. Shorr selbst ging noch einen Schritt weiter: Sie machte das Fahrzeug zum Spielplatz ihrer Kunst.