FAQ Gasbrand breitet sich in der Ukraine aus: Wie gefährlich ist die Infektionskrankheit?

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Illustration des Bakteriums Clostridium Perfringens, Hauptverursacher von Gasbrand
Das Bakterium Clostridium Perfringens gilt als Hauptverursacher von Gasbrand
© decade3d / Getty Images
Immer mehr ukrainische Soldaten erkranken an Gasbrand – einer Infektion, die in Europa lange Zeit als ausgerottet galt. Kehrt die gefährliche Krankheit nun zurück?

Eine steigende Zahl ukrainischer Front-Soldatinnen und -Soldaten sollen an Gasbrand erkrankt sein. Zuerst berichtete darüber die britische Zeitung "Telegraph" unter Berufung auf Angehörige des ukrainischen Militärs. Die Evakuierung und Versorgung der Verwundeten sei durch die Bedrohung russischer Drohnen aktuell so gut wie unmöglich. Das begünstige unter Verletzten die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die zuletzt im Ersten Weltkrieg aufgetreten sind. Dazu zählt auch Gasbrand.

Was ist Gasbrand?

Gasbrand ist eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die Muskelgewebe und Weichteile in einem hohen Tempo zerstört. Ausgelöst wird Gasbrand in der Regel durch sogenannte Clostridien – anaerobe, sporenbildende Bakterien, die in der Umwelt und im Darm von Menschen und Tieren vorkommen und als Sporen lange Zeit überleben können. Vor allem das Bakterium Clostridium perfringens gilt als Verursacher für die Krankheit.

Wie gefährlich sind Clostridien und Gasbrand?

Clostridien lösen nicht automatisch Krankheiten aus. Kritisch wird es erst, wenn sie in Gewebe eindringen, dem es an Sauerstoff fehlt – typischerweise bei tiefen, schwer zugänglichen oder verschmutzten Wunden – wie es bei Soldaten in Kriegsgebieten häufig der Fall ist. Dort kann abgestorbenes, nekrotisches Gewebe die Heilung blockieren. In diesem Milieu finden Clostridien ideale Bedingungen, um sich auszubreiten und Gasbrand auszulösen.

Ohne eine sofortige Therapie verläuft Gasbrand häufig tödlich. Und selbst bei einer Behandlung in der Klinik ist eine vollständige Genesung nicht sicher. Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Patientinnen und Patienten stirbt selbst mit medizinischer Versorgung. Ohne schnelle medizinische Hilfe liegt die Sterberate bei nahezu 100 Prozent.

Warum steigen die Gasbrandfälle bei Soldaten in der Ukraine?

Durch russischen Drohnenbeschuss kommt es aktuell zu einer verspäteten Antibiotikagabe an ukrainische Soldatinnen und Soldaten, und Verletzte müssen mitunter wochenlang auf eine ärztliche Behandlung warten. Tiefe, eventuell verschmutzte Kriegsverletzungen sowie die verzögerte Bergung und Erstversorgung durch chirurgische Wundbehandlung und Antibiotikatherapie schaffen gute Bedingungen für die Vermehrung und Ausbreitung von Clostridien. All das erschwert die Eindämmung der Infektion.

Welche Symptome treten bei der Infektionskrankheit auf?

Eine Erkrankung an Gasbrand ist extrem schmerzhaft. Unter der Haut entstehen Gasblasen, die sich in der Umgebung der Wunde ertasten lassen und sich durch Knistern akkustisch bemerkbar machen. Die betroffene Muskulatur schwillt an und nimmt eine grau-rötliche Färbung an. Begleitend können Symptome wie Fieber auftreten. Außerdem kann sich infolge der Infektionskrankheit eine Sepsis entwickeln: Der Puls beschleunigt sich, der Kreislauf gerät ins Wanken, die Atmung wird beeinträchtigt – schließlich kann es zu multiplem Organversagen kommen.

Wie lässt sich Gasbrand behandeln?

Das betroffene Gewebe muss möglichst schnell operativ entfernt werden. Kombiniert wird der chirurgische Eingriff mit der Gabe verschiedener, hochdosierter Antibiotika. Von Patient zu Patient kann ein anderes Antibiotikum das passende sein. Daher werden in Laboren individuelle Mikrobenkulturen erstellt und auf mögliche Resistenzen getestet. Eine Behandlung bleibt jedoch riskant, eine Garantie für vollständige Genesung gibt es auch mit ärztlicher Hilfe nicht. Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Patientinnen und Patienten stirbt selbst bei medizinischer Versorgung, schätzt die Ärztin und Forscherin Lindsey Edwards vom King’s College London, die der "Telegraph" zitiert.

Im Ersten Weltkrieg gehörte Gasbrand zu den gefürchtetsten Todesursachen bei Verwundeten. Mehr als 100.000 deutsche Soldaten sollen daran gestorben sein. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Gefahr deutlich kleiner: Die Verfügbarkeit von Antibiotika und das Wissen über Wundhygiene begünstigten den Therapieerfolg, Antibiotikaresistenzen spielten zudem noch praktisch keine Rolle. In jüngerer Zeit galt Gasbrand in Europa als so gut wie ausgerottet.