Galentine's Day Enge Freundschaft unter Erwachsenen: Warum das alles so kompliziert ist und was hilft

Galentine's Day: Zwei Frauen umarmen sich innig
Wenn enge Freunde hunderte Kilometer entfernt leben, werden innige Umarmungen seltener
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Wir haben viel erlebt. Wir erzählen uns alles. Aber wir sehen uns kaum noch. Mit Mitte 30 sind enge Freundschaften oft Fernbeziehungen. Wie gelingt es, sie zu pflegen?

Dieser Text stammt aus dem stern-Archiv und erschien zuerst im Sommer 2022. Anlässlich des Galentine's Day am 13. Februar, der Freundschaften unter Frauen feiert, veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle erneut. 

Manchmal sage ich, Angela Merkel fiel es als Kanzlerin bestimmt leichter, Treffen mit Freundinnen auszumachen, als uns. Der Spruch ist schlecht und wenn ich ihn sage, schwingt jedes Mal Enttäuschung mit. Weil ich mit meinen Freundinnen schon wieder keinen gemeinsamen Termin finden konnte. Zu zweit geht es ja noch einigermaßen. Aber ab drei Personen? Im Mai 2027 vielleicht. Früher war Freundschaft einfacher.

Jobs mit Wochenenddiensten, kleine Kinder, Urlaube, Konzertkarten, Geburtstage oder Zeit für den Partner – die Gründe, warum wir nicht zusammenfinden, sind so mannigfaltig wie die Versuche. Haben wir nach langem Suchen doch ein Wochenende gefunden, kommen seit Corona öfter mal spontane Absagen dazu.

Kurzum: Es ist kompliziert. Und ich sehe keinen Grund für Optimismus, dass sich das ändern wird. Das eigentliche Problem ist die Entfernung. Ich kann meine engsten Freundinnen nicht einfach so im Freibad oder auf ein Feierabendbier treffen, weil sie hunderte Kilometer entfernt wohnen. Mir sind diese Freundschaften, die teils über Jahrzehnte gewachsen sind, wahnsinnig wichtig. Deshalb frage ich mich: Wie halten Freundschaften auf Distanz und das am liebsten für immer? Was kann ich dafür tun? 

"Die Diamanten unter den Freundschaften"

Ich rufe Wolfgang Krüger an. Der Psychotherapeut und Autor beschäftigt sich seit Langem mit dem Thema Freundschaft. Er verwendet zwei Wörter, die ein wenig nach Kalenderspruch klingen, die es aber treffend beschreiben: Herzensmensch und Herzensfreundschaft. Krüger sagt: "Mit unseren Herzensmenschen können wir auch eine Fernbeziehung führen. Sie sind uns so nah, dass wir sie immer im Herzen tragen." 

Krüger nennt sie "die Diamanten unter den Freundschaften". Im Durchschnitt hätten wir drei dieser Herzensfreundschaften, bei Männern sei es oft sogar nur eine. Und sie halten lange: durchschnittlich über dreißig Jahre, oft ein Leben lang. "Hier erzählen wir uns wirklich alles. Wir zeigen Schwächen, teilen Intimes, können uns aufrichtig mitfreuen. Absolutes Vertrauen ist die Grundlage jeder Herzensfreundschaft."

Junge Menschen sitzen am Ufer und trinken Bier
Spontan ein Feierabendbier? Das geht nicht auf die Distanz. 
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Als ich das höre, überkommt mich Dankbarkeit. Ja, das klingt jetzt auch nach Kalenderspruch, aber zu wissen, wie sich absolutes Vertrauen anfühlt, kommt mir wie ein großes Geschenk vor. 

Alle 14 Tage sollte man mindestens Kontakt haben

Was Krüger dann sagt, macht mir Hoffnung: "Es braucht gemeinsame Erlebnisse, idealerweise sieht man sich zwei Mal im Jahr oder besser noch vier Mal, um die Nähe aufzufrischen. Aber es ist nicht zwingend. Wichtig ist, dass man regelmäßig Kontakt hält und Teil im Leben des anderen ist." Wenn es also in einem Jahr mal nicht klappt mit einem Wiedersehen, weil das einzige mühsam gefundene Wochenende kurzfristig wegen einer Infektion abgesagt werden muss, schadet das der Freundschaft nicht.

Krügers Rat für Herzensmenschen: Alle 14 Tage sollte man mindestens Kontakt haben. Das könne ganz unterschiedlich aussehen: eine kurze Whatsapp-Nachricht mit einem Foto, ein Anruf oder eine Mail. Als persönliches Beispiel erzählt er von einem sehr guten Freund, den er seit 40 Jahren kennt und mit dem er jeden Sonntag telefoniert. "Die ganze Woche über sammle ich Erlebnisse und Beobachtungen aus meinem Alltag, die ich dann unbedingt mit ihm teilen möchte." 

Ein Tipp, um Freundschaften zu pflegen: kreativ sein

Krüger hat ein paar weitere Tipps parat, um Freundschaften, insbesondere die mit Herzensmenschen, zu pflegen. Kreativ sein ist einer: "In Partnerschaften schreibt man sich Liebesbriefe, dichtet Lieder und lässt Geiger aufspielen, aber warum beschenken wir unsere Freunde nicht öfters mit solchen Überraschungen?" Gute Frage. Freundschaftsprofi Krüger schreibt einmal im Jahr einen Brief an seine wichtigsten Freunde und sagt ihnen, warum er sie mag.

Als weiteren Punkt nennt er Interesse. "Ich sollte interessiert sein am Leben meiner Freunde." Ja, und dann bringt er noch die großen Fragen ins Spiel. Es sei wichtig, im Austausch zu bleiben mit Freunden und auch mal Fragen zu stellen wie: "Bist du glücklich?" Gleichzeitig sollten Freunde ein Spiegel sein für die Fragen: "Was für ein Leben führe ich? Ist es das, was ich möchte? Was waren deine Herzenswünsche in der Jugend? Hast du sie erreicht, kann ich dich dabei unterstützen?"

Wir dürfen Freundschaften nicht unterschätzen

Wir alle brauchen Freunde. Und sie sind den allermeisten von uns sehr wichtig. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2014 bewerteten 85 Prozent der Befragten "gute Freunde zu haben, enge Beziehungen zu anderen Menschen" höher als Familie und Partnerschaft. Freundschaft als das Wichtigste im Leben. Die Bedeutung von Freunden bleibt ungebrochen groß, wie weitere Umfragen aus den vergangenen Jahren zeigen. 

Freundschaften seien extrem wichtig für uns Menschen, sagt auch Wolfgang Krüger. "Einsamkeit und Unsicherheit belasten uns am meisten. Darunter leider wir." Und genau hier helfen Freundschaften: "Sie stärken unser Selbstbewusstsein und wir fühlen uns nicht einsam, wenn wir Freunde haben." Während Partnerschaften auf Dauernähe ausgerichtet seien und Leidenschaft und das Körperliche stark mit reinspielten, seien Freundschaften stabiler und vernünftiger. "Wir sollten ihnen deshalb einen hohen Stellenwert beimessen."

Ich nehme mir vor: Wenn die nächste Terminfindung mal wieder schwierig wird, nutze ich ein freies Wochenende fürs Schreiben von Freundschaftsbriefen. Und mit etwas Glück hat heute Abend einer der neuen Freunde vor Ort Zeit für ein Feierabendbier. 

Alte Freundschaften zu pflegen, ist das eine. Im Erwachsenenalter neue Freunde zu finden das andere. Wie das gelingen kann, lesen Sie hier.