Leben mit Borderline "Mir hilft es, wenn ich mir die Arme aufschneide"

Was ist eigentlich Borderline? Eine vage Idee mögen wir davon haben, doch wie sich die Persönlichkeitsstörung anfühlt, wissen nur Betroffene. Jana hat Borderline - und erzählt in einem Video davon.

Wie erklärt man Borderline? Sucht man nach Beschreibungen, findet man Sätze wie: Borderliner haben Schwierigkeiten Nähe zuzulassen. Sie zeigen ambivalente Gefühle. Sie hegen suizidale Gedanken und sind aggressiv - zum Teil gegen sich selbst. Doch solche deskriptiven Defintions-Schnipsel schaffen kein Gefühl dafür, was die Persönlichkeitsstörung wirklich ist. Die Reporterinnen Lisa Altmeier und Steffi Fetz, Gründerinnen von Crowdspondent, haben die 40-jährige Jana besucht. Jana hat Borderline und gewährt in einem Video authentische Einblick in ihre Krankheit.

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"Wie wenn sich ein Elefant auf die Brust setzt"

Jana wurde über Jahre sexuell missbraucht. Irgendwann begann sie, sich ihre Arme mit Rasierklingen aufzuschneiden. Heute macht sie in einer offenen Psychiatrie eine Therapie. Sie beschreibt Borderliner als Menschen, die Gefühle stärker wahrnehmen als andere. Viele Borderliner griffen dann zu Alkohol, Tabletten oder verletzten sich selbst. "Manchmal ist es, wie wenn sich ein Elefant auf meine Brust setzt", beschreibt sie den beiden Reporterinnen das Gefühl, das sie treibt. Dann könne sie an nichts anderes mehr denken als daran, diesen Druck loswerden zu müssen. Ihr helfe es dann, sich die Arme aufzuschneiden.

Doch nicht jeder Borderliner verletzt sich selbst. Manche richten die Aggression auch nach außen - werden im schlimmsten Fall gewalttätig gegenüber anderen. "Würde mir jemand über das Gesicht streicheln, würde er eine geschossen kriegen. Das geht nicht, da krieg ich Panik", sagt Jana.

Seit sie neun war verging ihr Vater sich an ihr. Auch noch, als sie bereits schwanger war. "Es war ihm scheißegal". Doch Jana schwieg. Sie fürchtete, dass ihr Vater sonst ihren Geschwistern oder ihrer Mutter etwas antun würde, so wie er es immer androhte. "Als Kind glaubst du das und hältst die Klappe – egal ob du eine Platzwunde hast, weil du gegen eine Wand geflogen bist. Egal, du hast einfach die Klappe gehalten." Sie sprach lange mit niemandem, weil sie niemandem traute. Diese Traumata werten die Psychologen heute als den Auslöser für ihre Krankheit - eine Veranlagung für Borderline ist meist schon angeboren.

Borderliner sind keine Außenseiter

Jana trägt ein Pflaster auf der Strin, weil sie erst kürzlich wieder eine Dissoziation hatte, ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr, sie rannte gegen eine Tür. In der Hand hält die 40-jährige einen stacheligen Gummiball - sie lernt damit sich wieder zu spüren. Suizidale Gedanken seien da, ja. Aber zur Zeit könne sie gut damit leben. Fünf bis zehn Prozent der Borderliner bringen sich um. Die Fenster in Janas Zimmer sind deswegen abgeschlossen. Sie könne nicht ändern, was passiert sei, sagt sie. Sie könne nur lernen, es zu verarbeiten. Ihren Vater hat sie mittlerweile vor Gericht gebracht.

Jana wünscht sich, dass Borderliner mit anderen Augen gesehen werden. Borderliner seien keine Außenseiter. "Was Borderliner wirklich brauchen sind Freunde oder Menschen, die es ernst meinen." Menschen, die einen nicht abwerten, wenn man sich verletzt. Die dann immer noch für einen da sind.

mh

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