Zahnärzte Zum Ersten, zum Zweiten: die Dritten

Bei Internetversteigerungen unterbieten sich Zahnärzte mit ihren Preisen für Brücken und Implantate. So spart der Patient - und bekommt in der Regel ordentliche Qualität.

Noch zehn Sekunden, noch fünf, noch eine, dann hat Zahnarzt Johannes Heil einen Patienten ersteigert, einen jungen Mann, der eine Brücke braucht. Dessen Zahnarzt wollte 1755 Euro haben, Johannes Heil hat ihn mit einem Preis von 1100 Euro unterboten und den Zuschlag vor zwei anderen Ärzten bekommen. Mehr als die Hälfte seines Eigenanteils spart der Patient auf diese Weise, immerhin 655 Euro. Versteigert wird im Internet.

Wer Zahnersatz mit Gold oder Keramikverblendungen haben möchte oder Implantate, der muss sich oft mit mehreren 1000 Euro an der Behandlung beteiligen. Da ist es sinnvoll, Angebote mehrerer Ärzte einzuholen und zu vergleichen. Mehrere Internetportale erleichtern das: Der Patient stellt den Heil- und Kostenplan, den sein Zahnarzt für die Behandlung erstellt hat, online. Zahnmediziner können dazu Angebote abgeben. Am Ende erhält der Patient in der Regel die fünf günstigsten Angebote, davon sucht er sich eines aus, das ihm preislich, bei der Entfernung der Praxis zum Wohnort und mit den Qualitätsbewertungen anderer Patienten zusagt - und verabredet einen Termin mit dem Arzt. Erst nachdem der Arzt den Patienten untersucht hat und eine eigene Diagnose erstellt hat, kommt ein Vertrag zustande.

Versteigerungen boomen

Geschäfte mit ersteigerten Zahnarztleistungen boomen: Beim Marktführer 2te-zahnarztmeinung.de wurden nach dessen Angaben schon mehr als 11 000 Auktionen abgeschlossen, jeden Monat kämen mehr als 1000 neu hinzu. Der zweite große Anbieter, arzt-preisver gleich.de, der gerade den Konkurrenten zahngebot.de gekauft hat, versteigert etwa 500 Behandlungen monatlich.

Für ihre Juni-Ausgabe hat die Stiftung Warentest die Anbieter zahngebot.de und 2te-zahnarztmeinung.de geprüft und Ersparnisse von bis zu 62 Prozent ermittelt. Und das, so die Tester, "ohne grundsätzlich Einschränkungen bei der Qualität hinnehmen zu müssen".

"Der Preis sinkt, weil es Wettbewerb gibt und nicht weil die Leistung schlechter ist", sagt Holger Lehmann, Geschäftsführer und Gründer von 2te-zahnarztmeinung.de. Ein mehrstufiges System der Qualitätskontrolle sorge obendrein dafür, dass Ärzte, die minderwertige Leistungen erbringen, schlecht bewertet werden. Drei "schwarze Zähne", also negative Patientenurteile - und der Arzt ist aus dem Rennen. Bislang sei das aber noch nie vorgekommen. "Schlechte Ärzte geben von allein auf", sagt Lehmann.

Kundenstamm aufbauen

Für gute Zahnärzte hingegen lohnten sich die Auktionen, sagt er. Obwohl sie immerhin ein Fünftel ihres Honorars als Provision für die Vermittlung an Lehmann überweisen müssen, würden vor allem junge Zahnmediziner die Auktionen nutzen, um sich einen Kundenstamm aufzubauen, erzählt Lehmann, bei dem mittlerweile fast 700 Zahnärzte registriert sind.

Aber nicht nur Existenzgründer steigern um Patienten. Dr. Johannes Heil ist seit 18 Jahren Zahnarzt, hat sich als Implantologe spezialisiert und eine Zusatzausbildung für Behandlungen unter Hypnose absolviert. Seine Praxis mit drei Kollegen im Hamburger Stadtteil Allermöhe "brummt", wie er sagt. Trotzdem setzt sich Heil nach Dienstschluss an seinen Computer und ersteigert Behandlungen, "einfach weil es mir Spaß macht". Etwa 60 Patienten habe er so schon gefunden und behandelt. Das mache zwar nicht mal ein Prozent seines Kundenstamms aus, bringe aber auch Geld.

Und dies obwohl Heil andere Zahnärzte bei den Auktionen um bis zu 50 Prozent unterbietet. Wie das geht? "Wir sind nicht billig, wir sind ganz normal", behauptet er. Spielraum gibt es vor allem bei den Labor-und Materialkosten, weniger beim Honorar der Ärzte. "Wir haben einen hohen Durchlauf und können mit unserem Dentallabor spezielle Konditionen verhandeln." So erkläre sich die Preisdifferenz zu seinen, wie er sagt, "maßlos überteuerten Kollegen". Seine Patienten sparen und geben sich online sehr zufrieden: Auf den Seiten von 2te-zahnarztmeinung.de haben sie seine Arbeit durchweg mit drei weißen Zähnen bewertet - Bestnote.

1700 Euro gespart

Auch Wolfram Fecker, der sich Ende vergangenen Jahres von Heil das Gebiss sanieren ließ, vergab die Höchstwertung. "Ein toller Typ, zu dem ich sofort Vertrauen hatte", sagt der 60-jährige Diplomingenieur aus Wedel. Zwei Brücken, zwei Kronen und zwei Implantate mussten bei ihm gemacht werden, außerdem wollte er alle Amalgamfüllungen ersetzt haben. Und alles, bitte schön, in Kunststoff und Keramik. 6577,95 Euro wollte sein Zahnarzt dafür haben - Johannes Heil hat ihm die Zähne für 4882,41 Euro gemacht.

Standesvertreter sehen das virtuelle Feilschen um Brücken und Kronen dennoch "problematisch", so Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Er kritisiert vor allem den "Einkauf von Patienten" als "berufsrechtlich bedenklich", weil es Ärzten verboten ist, sich gegen Geldleistung Patienten zuweisen zu lassen.

"Mit skeptischer Gelassenheit" betrachtet Reiner Kern von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung die Zahnauktionen, stellt aber klar: "Ohne eine eingehende Diagnose ein Preisversprechen abzugeben - das ist unärztliches Verhalten." Ein Heil- und Kostenplan sage allein nicht alles über die Behandlung aus, so Kern. Aus ihm gehe beispielsweise nicht immer hervor, welches Material der Patient für den Zahnersatz wünscht. Vielleicht hat er seinem Zahnarzt gesagt, er möchte auf jeden Fall ein Edelmetall, und dieser kalkuliert daraufhin seinen Kostenvoranschlag. Und ein Zahnarzt in der Auktion, der diesen Wunsch nicht kennt, kalkuliert mit einem preiswerteren Material und kommt dadurch auf einen geringeren Preis. "Das ist dann aber auch nicht die gleiche Leistung", sagt Kern.

Krankenkassen sehen das entspannt

Viele Krankenkassen sehen das entspannt. Gut drei Dutzend gesetzliche Versicherer werben auf der Seite 2te-zahnarztmeinung.de damit, dass sie ihren Mitgliedern die Gebühren für das Einstellen bezahlen. Sie profitieren zwar nicht unmittelbar von niedrigen Behandlungskosten, da sie feste Zuschüsse zahlen. Aber es liegt offenbar auch in ihrem Interesse, dass Patienten notwendige Zahnsanierungen nicht lange aufschieben, weil sie zu teuer sind. Später sind die Folgekosten für die Kassen umso höher. Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat keine großen Bedenken.

"Damit lässt sich durchaus Geld sparen, ohne dass die Behandlung qualitativ schlechter ist", sagt Gesundheitsexperte Kai Vogel. Wichtig sei, dass es genügend Zahnärzte zur Auswahl gibt, dass diese in der Nähe sind und dass klar ist, woher das verwendete Material kommt. Er rät grundsätzlich: "Immer erst beraten und dann behandeln lassen - das Internet ersetzt keinen Zahnarzt."

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