Liebe Leserin, lieber Leser,
"alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise." Diese Sätze schrieb einst der Schriftsteller Leo Tolstoj, der auch ein Psychologe ersten Ranges war. Vor einigen Wochen war das Drama in der Kanzlerfamilie Kohl hier Thema, nun geht es um eine nicht minder mächtige, wenn auch ungleich wohlhabendere Familie: die Tengelmann-Eigentümer, zu deren Besitz etwa Einkaufsketten wie Obi und Kik gehören.
Viele Milliarden hat der Clan angehäuft und blieb doch stets aus der Öffentlichkeit – bis im April 2018 Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub bei einer Skitour in den Schweizer Alpen verschwand und dort tödlich verunglückt sein soll. Sein Leichnam wurde jedoch nie gefunden, am 14. Mai 2021 hat das Amtsgericht Köln den ehemaligen Firmenlenker für tot erklärt.
In aufwendigen Recherchen hatte meine RTL-Kollegin Liv von Boetticher zusammen mit Sergej Maier bereits vor zwei Jahren Hinweise auf ein Doppelleben des Milliardärs gesammelt, die Anlass zu erheblichen Zweifeln an der Unfalltheorie gaben. Ermittelt haben die deutschen Behörden damals allerdings nicht. Im Zuge der Arbeiten an einem Buch zum Thema gelang es von Boetticher nun, an spektakuläre neue Indizien für das mögliche Fortleben des Milliardärs zu gelangen. Ende 2022 konnte sie Fotos des biometrischen Überwachungssystems aus Moskau einsehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit zeigen diese den verschwundenen Milliardär im Februar 2021 in der russischen Hauptstadt, fast drei Jahre nach seinem angeblichen Ableben.
Diese Fotos sollen Christian Haub, Karl-Erivan Haubs Bruder und Nachfolger an der Tengelmann-Spitze, auch vorgelegt worden sein. Warum wurde der Milliardär dennoch für tot erklärt? Hat Christian Haub diese Informationen etwa den deutschen Behörden vorenthalten – und so die Grundlage für die Todeserklärung von Karl-Erivan Haub geschaffen? Die offizielle Todeserklärung von Karl-Erivan Haub führte schließlich zum Verkauf der Milliardenanteile von Karl-Erivan an Christian Haub.
Das ganze Familiendrama in allerreichsten Kreisen, in dem es wie in einem Agentenkrimi auch um eine mysteriöse Frau und mögliche Liebesgrüße aus Moskau geht, lesen Sie hier.
Die Steigerung von Todfeind lautet: Parteifreund. Nun gibt es gar eine weitere Steigerung des beliebten Vergleichs, sie lautet: Noch gefährlicher als ein Parteifreund kann ein Kanzler von der anderen Partei sein. Das muss gerade Robert Habeck erleben, grüner Vizekanzler. Habeck würde bei der nächsten Bundestagswahl gern Kanzlerkandidat werden, auch Olaf Scholz weiß das. Und deswegen könnte er durchaus genüsslich verfolgen, wie sich Habeck im Heizungskeller verirrt und seine Umfragewerte einbrechen. Wer nun glaubt, Scholz könne davon in Umfragen profitieren, sieht sich getäuscht. Die Deutschen halten ihn weiter für führungsschwach. Die neue Machtgleichung lautet also: Geschwächter Vizekanzler führt zu weiterhin schwachem Bundeskanzler führt zu schwacher Bundesregierung.
Thomas Tuchel ist Fußballtrainer, aber er ist auch begeisterter Leser. Seit seinen jungen Trainertagen in Augsburg lässt er sich von einem dort ansässigen Buchhändler mit Lesestoff versorgen. Würde Tuchel aktuell in eine Buchhandlung gehen, müsste er in die Abteilung für Selbsthilferatgeber gehen, etwa "Die Kraft des positiven Denkens", oder gleich die Ecke mit Horrorschmökern aufsuchen – denn so schnell wurde wohl noch kein Toptrainer entzaubert. Aller Voraussicht nach wird Tuchel trotzdem Trainer des FC Bayern München bleiben, der in der nächsten Saison partout wieder "Mia san mia"-Meister werden möchte. Zu viel Druck für Tuchel? Wenigstens einen Titel erwartet in München niemand von ihm: Meister der Herzen.