Belletristik Gebt uns mehr gute Romane!

Etwas schwach auf der Brust ist es leider: das belletristische Frühjahrsprogramm der deutschen Buchverlage. Große Namen enttäuschen, insgesamt fehlen Höhepunkte. Ein paar gute Bücher haben wir dann aber doch noch für Sie gefunden.

So geht es eigentlich jedes Jahr: Es ist Frühling, die Sonne kommt raus und auch die neuen Bücher - also begeben sich Literaturredakteure, auch die des stern, in den Elfenbeinturm, um nach langer Klausur mit einem Haufen guter Romane vor die Tür zu treten. Aber dieser Frühling war ganz anders.

Nicht nur, dass es schneit bis in den März hinein. Nein, diesmal stieg auch kein weißer Rauch auf, und die Redakteure standen betrübt vorm weißen Turm, in der Hand nur ein Häuflein wirklich guter Bücher. Dabei hatten wir alles wie immer gemacht: deutlich mehr als 100 Romane gesichtet, immer auf der Suche nach jenen spannenden, gut geschriebenen, im besten Fall klugen Büchern, die man unbedingt braucht - gutes Lesefutter eben.

Doch diesmal müssen wir den Gürtel wohl enger schnallen - magere Zeiten stehen bevor. Selbst Bestsellerautoren kredenzen nur fade Süppchen: Henning Mankell schrieb mit "Kennedys Hirn" für diese Saison eben keinen spannenden Krimi, sondern ein "zorniges" Buch über Afrika, dessen Inhalt man auf jeder ARD-ZDF-Spendengala genauso, nur halt umsonst und kürzer geboten bekommt. John Updike nannte seinen neuen Roman zwar "Landleben", dabei wäre der Titel "Als der Sex noch besser war, Folge acht" genauer und viel ehrlicher gewesen. Auch Bernhard Schlink enttäuscht mit seinem arg konstruierten neuen Roman "Heimkehr". Und Frédéric Beigbeder, der einst so amüsant die Welt der Werber vorführte, will als "Romantischer Egoist" den Zeitgeist sezieren - und ist dabei langweiliger als Jürgen Fliege.

Vielleicht aber ein Blick in das,

was uns die Verlage als Sahnehäubchen verkaufen wollen. Vom Spitzentitel des Page & Turner-Verlages kursierten schon ein halbes Jahr vorher englische Exemplare, angeboten unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit, na klar. Es folgten ganzseitige Ankündigungen in Branchenblättern, obskure Anekdoten über einen besonders rätselhaften Autor und - natürlich - die Ankündigung, dass Steven Spielberg das Epos ziemlich sicher verfilmen würde. Schließlich kam das Buch: Der "Traveler". Und? Fehlanzeige! Ein bisschen "Matrix", "Highlander", ein bisschen Weltverschwörung und viel Esoterik, das war's. Ähnlich verhielt es sich mit dem Super-Spitzen-Spannungsbuch "Blutadler" des Lübbe-Verlagskonglomerats: Ein Schotte, der seine Krimis in Hamburg spielen lässt. Leider entpuppt sich das Buch als Brutalo-Thriller mit absurdem Plot - und einem Kommissar, der in seiner Einsatzstadt Hamburg derart orientierungslos wirkt, dass man ihm als Zugereistem erst mal einen Stadtplan besorgen möchte.

Schon etwas erschöpft, aber immer noch guten Mutes greift man dann zu den kleineren Büchern. All die wenig bekannten ausländischen Autoren, die Debütanten und Spezialisten - da müssten doch Perlen zu finden sein. Perlen? Es gibt da zum Beispiel die Geschichte eines Zimmermädchens, das durch Schachspielen sein Leben verändert (Bertina Henrichs, "Die Schachspielerin") - nett zu lesen, ohne Zweifel. Und es gibt den Roman über einen Hollywood-Techniker, der sich eine Roboterfrau baut (Thomas Berger, "Abenteuer einer künstlichen Frau") - lustige Idee, eine Maschine auf die Menschenwelt blicken zu lassen, aber ziemlich schnell ausgereizt. Genau wie die Geschichte über ein Mädchen mit blauer Haut (Michel Nicolas, "Die Blaue"). Alles ganz hübsch, alles ganz gut geschrieben - doch andererseits ganz gut verzichtbar. Würden wir dafür 15 bis 20 Euro ausgeben? Wohl eher nicht.

Ein reichlich blasser Jahresanfang, gewiss, ein paar Bücher haben wir trotzdem gefunden. Bücher, die so spannend sind, dass man sie nicht aus der Hand legen kann. Die noch lange nachklingen oder in fremde Welten entführen. Bücher, die länger halten als einen Frühling.

Stephan Draf/Andrea Ritter

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