Hamburg Deutschlands ältestes tibetisch-buddhistisches Zentrum

Aus der kleinen, von Nachbarn argwöhnisch betrachteten Runde in der Kellerwohnung eines Einfamilienhauses ist mittlerweile eine Institution mit großer Anhängerschar geworden.

Ende der 70er Jahre kam regelmäßig eine Hand voll Menschen in Hamburg zusammen, um sich von Mönchen in roter Robe und mit kahl geschorenem Kopf in buddhistischer Philosophie und Meditation unterweisen zu lassen. Aus der kleinen, von Nachbarn argwöhnisch betrachteten Runde in der Kellerwohnung eines Einfamilienhauses ist mittlerweile eine Institution mit großer Anhängerschar geworden. Im Jahr 2002 feierte das Tibetische Zentrum Hamburg seinen 25. Geburtstag und ist damit das älteste tibetisch- buddhistische Zentrum dieser Art in Deutschland und das einzige, das unter der Schirmherrschaft des Dalai Lamas steht.

Der Dalai Lama bestimmte den Namen des Zentrums

Heute hat der Träger-Verein rund 500 Mitglieder. Das Zentrum, das sich aus Mitgliedsbeiträgen, Seminargebühren und Spenden finanziert, besitzt in Hamburg ein Wohnhaus mit Studienräumen, Bibliothek und Buchladen sowie einem Tempel. In Lünzen bei Schneverdingen in der Lüneburger Heide gibt es seit 1996 für Meditationsklausuren das ruhig gelegene Landzentrum. Den Namen dafür suchte der Dalai Lama selber aus: "Semkye Ling" - der Ort, an dem das Mitgefühl entfaltet wird. Bereits drei Mal war das geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter zu Gast im Zentrum. Das letzte Mal gab der Dalai Lama 1998 vor rund 10 000 Menschen mehrtägige Belehrungen bei Schneverdingen.

Laien, Nonnen und Mönche in Hamburg

Inspiriert von dem geistlichen Leiter, dem 71-jährigen Geshe Thubten Ngawang, ist mit den Jahren eine Gemeinschaft von Ordinierten und Laien herangewachsen. Fünf buddhistische deutsche Nonnen, ein deutscher und ein tibetischer Mönch sowie seit kurzem auch der 38- jährige Lehrer Geshe Ngawang Sönam bilden die Klostergemeinschaft. Einmalig in ganz Europa ist das siebenjähriges Studium der buddhistischen Philosophie, das Geshe Thubten Ngawang entwickelt hat, und das auch von Fernstudenten absolviert werden kann.

Pioniertaten an der Elbe

Für die Nonne Carola Roloff, die seit den Anfangstagen dabei ist, ist Geshe Thubten Ngawang "sowas wie ein Pionier". "Ich glaube, wir können heute noch gar nicht richtig abschätzen, was er hier aufgebaut hat", meint die 43-Jährige. "Es gibt hier eine einzigartige Geistesschulungstradition, die vernünftig und praxisbezogen ist, ein großes Engagement im interreligiösen Dialog und Unterstützung für tibetische Flüchtlinge", sagt der ehemalige buddhistische Mönch Christoph Spitz, der dank seiner perfekten Tibetisch-Kenntnisse seit Jahren einer der Hauptübersetzer des Dalai Lamas ist.

Untericht im Westen anders als in Tibet

Geshe Thubten Ngawang meint bescheiden: "Nach vielen Anfangsschwierigkeiten fühle ich mich durch das langjährige Interesse meiner Schüler bestärkt in meinem Versuch, die buddhistische Lehre in Deutschland zu vermitteln." Die Art zu unterrichten sei im Westen anders als in seinem Heimatkloster. "Alles läuft über den Umweg des Übersetzens, und man muss sich auf das Wesentliche beschränken." Das Wichtigste sei, durch die Schulung des eigenen Geistes ein gutes Herz zu entwickeln. "Dafür sind hier zwar noch nicht alle Bedingungen geschaffen, aber ich glaube, es ist in die richtige Richtung gegangen."

Für Geshe Ngawang Sönam ist alles noch ganz neu: "Noch vor kurzem wusste ich nur, dass es Deutschland gibt und Sprache und Sitten hier anders sind." Jetzt will er erst einmal Deutsch lernen. "Ich habe den Eindruck, dass hier die meisten ihre eigenen Wege gehen. Man redet nicht so viel mit einander wie bei mir zu Hause."

Der Gründer flüchtete vor den Chinesen

Der einstige persönliche Berater des Dalai Lama, Geshe Rabten Rinpoche, gründete 1977 auf Wunsch deutscher Buddhisten das Hamburger Zentrum. Der Dalai Lama berief 1979 Geshe Thubten Ngawang als geistlichen Leiter. Der tibetische Gelehrte und Meditationsmeister wurde mit elf Jahren Mönch im Kloster Sera in Zentraltibet. Nach der Invasion der Chinesen 1959 flüchtete er nach Indien, wo er in einem Exil-Kloster nach 37 Jahren Studium die Prüfung zum Lharampa-Geshe ablegte, der höchste Ausbildungsgrad großer Klosteruniversitäten. Mit seiner Lehre der Gewaltfreiheit, Toleranz und Selbstverantwortung erlebt der Buddhismus im Westen seit Jahren großen Zulauf.

Brita Janssen, DPA