Für den weiß-haarigen Boniface J. Rolfzen, den einstigen Englischlehrer Bob Dylans, hat das lange Warten auf seinen weltbekannten Schüler ein Ende. "Ich bin froh, dass ich Bob Dylan noch einmal gesehen habe", sagt der 81-Jährige. "Plötzlich stand er vor unserer Kirche." Der Blitzbesuch des Superstars war tagelang das Gesprächsthema Nummer eins in Hibbing. In dem Bergbaustädtchen im Norden von Minnesota war Dylan aufgewachsen und zur Schule gegangen. Hier war er seiner ersten Liebe begegnet, hatte seine Bar Mitzvah zur Aufnahme als Mitglied in die jüdische Gemeinde gefeiert und seine erste Band gegründet.
Hoffen auf ein Wiedersehen
"Mr. Rolfzen", sagte Dylan, als er seinen greisen Lehrer in der letzten Woche vor staunenden Passanten umarmte, "Sie haben mir viel beigebracht." Nach seinem Besuch hoffen nun viele Hibbinger, dass er wiederkommt. Der Anlass war diesmal, wie schon beim letzten Mal, ein trauriger. Myrtle Jurenes, die Schwiegermutter von Dylans Bruder David und eine der letzten Verwandten in der Gegend von Hibbing, wurde beerdigt.
Als kürzlich ein US-Verlag für den 12. Oktober die immer wieder hinausgeschobenen Memoiren des wohl bedeutendsten amerikanischen Songschreibers ankündigte, war Rolfzen der erste, der sich in der Buchhandlung von Hibbing ein Exemplar reservieren ließ. Leroy Hoikkala, der Drummer in Dylans erster Band, war der zweite. Auch er hofft, wenigstens mit einem Satz in Dylans "Chronicles: Volume One" vorzukommen.
"Goldene Akkorde"
"Golden Chords" hieß die Band berichtet Hoikkala. "Bob hatte sich das einfallen lassen", sagt der 64-jährige Ingenieur. "Mein Schlagzeug war goldfarben. Und Bob hatte was drauf mit Akkorden. So kam er auf Goldene Akkorde." Die Band spielte Rock & Roll nach dem Vorbild von Little Richard. Bei einem Auftritt in der Hibbing High School, so verzeichnet es die Stadtchronik, habe Dylan 1957 Lehrer "verschreckt, als er den Klavierstuhl zur Seite stieß -, stehend auf die Tasten hämmerte und die Schülerschaft elektrifizierte".
Aber das war es nicht, was ihm manche Hibbinger lange Zeit übel nahmen. Als der junge Folksänger in New York Erfolge feierte, tischte er Reportern auf, er sei heimatlos, ein "Rolling Stone", der von nirgendwo nach irgendwo ziehe. Erst Jahre später erzählte der Star, er komme aus der Eisenerzregion Minnesotas und er sei "stolz darauf".
Ein Tempel für Dylan
"Offenbar bedeutet ihm unsere Stadt doch etwas", sagt der Maler und Restaurantbesitzer Bob Hocking, der aus seinem Pub "Zimmy’s" eine Art Dylan-Tempel gemacht hat. Von Dylans Autobiografie - sie erscheint demnächst bei Hoffmann und Campe auf Deutsch - erhofft er sich auch Aufschluss darüber, wie das wirklich war bei jenem berühmt- berüchtigten Klassentreffen von 1969.
Damals sollen Ex-Mitschüler Dylan nach ein paar zu vielen Drinks gesagt haben, er könne sich zum Teufel scheren. So ein reicher linksliberaler Spinner wie er habe in Hibbing nichts zu suchen. Danach soll er nur noch einmal, zur Trauerfeier für seinen Vater, wenige Stunden in Hibbing gewesen sein.
"Dylan Days"
Bob Hocking und seine Frau Linda stehen an der Spitze jener Hibbinger, die sich dafür einsetzten, dass die Stadt ihren einzigen in der ganzen Welt bekannten Ex-Bürger gebührend ehrt. Seit Jahren veranstalten sie "Dylan Days" rings um den Geburtstag des inzwischen 63-jährigen Stars am 24. Mai.
Ginge es nach ihnen, dann hätte die Stadt längst das Haus unweit der Hibbing High School, in dem Dylan mit seinen Eltern lebte, in ein Museum umgewandelt. "Wenigstens eine Straße könnte nach ihm benannt werden", sagt Linda. "Schließlich kommen Fans von Deutschland bis Japan hierher, um auf seinen Spuren zu wandeln."