"Tabu" im Kino Das kurze Leben des Georg Trakl

Den Dichter Georg Trakl und seine Schwester Grete verband eine innige Liebe. Christoph Stark hat daraus ein packendes, intensives Leinwanddrama geschaffen - mit brillanten Hauptdarstellern.

Es sind Gedichte voller Farben. Blau, rot, gelb, silber und schwarz, wie in einem Gemälde. Wortgewaltig und düster, ein grelles Bildnis aus Worten. Georg Trakl war kein glücklicher Mensch, doch seine Poesie bewegt die Menschen noch heute. 1914 nahm sich der Österreicher mit 27 Jahren das Leben, wenige Monate nach Beginn des Ersten Weltkrieges. Ein Kinofilm bringt nun das kurze Leben des berühmten expressionistischen Dichters auf die Leinwand mit Lars Eidinger als Georg Trakl und Peri Baumeister als seine Schwester Grete (Margarethe).

"Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden" ist ein mitreißender, aufwühlender Film von Christoph Stark mit intensiven kammerspielartigen Momenten, in dessen Mittelpunkt die besondere Liebe zwischen den Geschwistern steht. Im Film ist es eine radikal inzestuöse Liebe, vor 100 Jahren ebenso verboten wie heute.

"Tabu" zeigt die zerstörerische Seite einer Liebe, die sich nicht erfüllen kann, zumindest nicht öffentlich. Nur hinter verschlossenen Türen geben sich Grete und Georg einander hin. Ihr Leben birgt ein Geheimnis, von dem nicht mal die Eltern wissen dürfen. Und doch erwächst gerade aus der Gefahr des Entdecktwerdens und ihrem Unglück eine ungezügelte, brennende Leidenschaft, die Trakl zu einigen seiner schönsten Gedichte inspiriert und der Pianistin Grete wundersame Kompositionen eingibt. Eindringlich zitiert der Film aus Trakls Gedichten, etwa aus "Blutschuld": "Es dräut die Nacht am Lager unsrer Küsse. Es flüstert wo: Wer nimmt von euch die Schuld? Noch bebend von verruchter Wollust Süße. Wir beten: Verzeih uns, Maria, in deiner Huld."

Leiden, das große Kunst hervorbringt

Der Film nach dem Drehbuch von Ursula Mauder konzentriert sich auf seine beiden Hauptdarsteller. Ob die Geschichte so wirklich wahr ist, interessiert weniger angesichts der packenden Leistung. Lars Eidinger brilliert als Dichter. Er zeigt Trakl als einen Getriebenen, befeuert vom unbändigen Wunsch, zu schreiben und gepeinigt von der unmöglichen Liebe. Es sind nur wenige Momente, in denen sie ihre Zweisamkeit genießen können, etwa als beide in Wien sind. Trakl studiert dort Pharmazie und die vielversprechende Pianistin Grete beginnt an der Musikakademie. Doch bald holt sie auch hier die Realität ein. Misstrauische Vermieterinnen stoßen sich am Lebenswandel der beiden und auch die Freunde dürfen nicht wissen, was die Geschwister füreinander fühlen. Für Trakl wird die Heimlichtuerei bald zuviel. "Es schnürt mir die Luft ab!", erklärt er der entsetzten Grete. "Ich versteck mich nicht ein Leben lang, nicht mal für Dich."

Aus Verzweiflung und Sehnsucht verfällt Trakl den Drogen und dem Alkohol. Ein Absturz, den auch seine Schwester nicht aufhalten kann. Denn auch sie ist haltlos und leidet entsetzlich unter der auferzwungenen Trennung von ihrem geliebten Bruder. Peri Baumeister lässt sie trotzig aufbegehren, zeigt sie als zutiefst verwundete Frau, die an ihrer Liebe festhalten will. Am Ende bleibt die Frage, warum zwei Menschen, die sich so lieben, nicht beieinander bleiben dürfen. Und andererseits ist da die Erkenntnis, dass vor allem das Leiden große Kunst hervorbringen kann - oder, um es mit den Worten von Oskar Kokoschka im Film zu sagen: "Sehnsucht ist doch der größte Antrieb!"

DPA
Cordula Dieckmann, DPA

PRODUKTE & TIPPS