Schauspielerin Nora von Waldstätten ("Schwerkraft", "Parkour") muss mit ihren Filmfiguren träumen. "Wenn das passiert, weiß ich, jetzt geht's los", sagte die 28-Jährige Österreicherin am Donnerstag in Cannes, wo der fünfeinhalbstündige Film "Carlos" von Olivier Assayas am Tag zuvor stürmisch bei der Premiere außer Konkurrenz gefeiert worden war. Darin spielt von Waldstätten Magdalena Kopp, die 14 Jahre an der Seite des Terroristen "Carlos" im Untergrund gelebt und mit ihm ein Kind hat.
Dennoch habe sie für diese Rolle ihr übliches Vorbereitungskonzept extrem variieren müssen. "Ich habe dreieinhalb Monate Sekundärliteratur gelesen, die Autobiografie von Magdalena Kopp studiert und mich unter anderem mit einem Dokumentenfälscher der RAF getroffen." Doch irgendwann habe sie wie bei ihren fiktiven Rollen auch ihr Moleskin-Notitzbuch genommen und angefangen die Figur mit einem Innenleben zu füllen.
"Natürlich habe ich einen enormen Respekt vor der Figur und habe einen enormen Druck verspürt, eine reale Person zu spielen", erzählte die Schauspielerin, die in Deutschland mit ihrer Rolle in dem ARD- Tatort-Krimi "Herz aus Eis" (2009) ihren Durchbruch geschafft hatte. Doch irgendwann müsse man diesen Respekt im besten Sinne auch verlieren. "Wenn ich mit der Figur träume, merke ich, jetzt geht's los, jetzt hab ich sie verinnerlicht." Und das sei bei Kopp so gewesen. Ob sie und überhaupt der ganze Film der Figur Carlos und der Historie gerecht werden? "Keine Ahnung, aber irgendwann muss man sich als Schauspielerin emanzipieren und sich sein eigenes Bild machen."
"Carlos" erzählt den Aufstieg und Untergang des Terroristen. Das fünfeinhalbstündige Werk, ebenso wie eine abgespeckte Version von zweieinhalb Stunden, soll im Spätsommer in die deutschen Kinos kommen.