Simpsons-Produzent Al Jean "Noch ein Film? Fragen Sie mich in zehn Jahren"

Mit riesigem Bohei startet jetzt der Simpsons-Film. Im Gespräch mit stern.de sagt Al Jean, Chef der TV-Serie, warum die Fans so lange auf das Kino-Abenteuer warten mussten, was an Barts Penis schlimm ist und welcher echte US-Präsident seinen ersten Gastauftritt bekommt.

Mr. Jean, schon gleich zu Beginn des Films sieht man den Penis von Bart ...

... ja, und ein Journalist hat sich fürchterlich darüber aufgeregt. Dabei ist es nur kleiner, alberner Witz.

Der Film ist in den USA aber nicht deswegen erst ab 13 Jahren freigegeben?

Doch. Deswegen und wegen einer anderen Szene. (In Deutschland ab sechs Jahren, d. Red.) Dabei ist das gezeichnete Genital einer zehnjährigen Comicfigur wohl so ziemlich das unsexuellste was man sich vorstellen kann. Und die Szene ist wirklich kurz. Lächerlich eigentlich.

Sie haben den Film wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Im Vorfeld gab es so gut wie keine Informationen und Journalisten durften nur zehn Minuten sehen. Warum eigentlich?

Als wir den Film angekündigt hatten, waren die Fans ziemlich aufgeregt und gespannt. Was soll ich sagen, wir wollen diese Spannung möglichst lange aufrechterhalten (kichert hämisch).

Auch jetzt noch?

Von mir erfahren Sie nichts. Naja, vielleicht ein bisschen.

Zum Beispiel?

Dass der Schauspieler Albert Brooks einer der Gaststars sein wird ...

... Gastauftritte bei den Simpsons gelten als kultureller Ritterschlag ....

... wir haben auch einen anderen Star dabei. Einen richtig großen. Aber den Namen verrate ich nicht.

Vielleicht ein Politiker? Der ehemalige britische Premierminister Tony Blair hatte einmal einen kurzen Auftritt bei Ihnen - ein echter US-Präsident noch nicht.

Unser Präsident im Film ist Arnold Schwarzenegger, der wird aber von einem Imitatoren gesprochen. Wir haben alle noch lebenden Ex-Präsidenten angefragt, aber alle haben Nein gesagt. Ronald Reagan hat uns die netteste Absage geschrieben, aber letztlich wollte auch er nicht.

Falls je einer Zusagen würde, wer glauben Sie, wäre es?

Wir hatten schon eine Szene mit Rudi Giuliani (ehemaliger Bürgermeister von New York City, d. Red.) fertig. Kurz bevor die Sendung ausgestrahlt werden sollte, hat er sich als Präsidenten-Kandidat aufgestellt. Nun schreiben die US-Gesetze vor: Wenn man einen Kandidaten in der Sendung hat, müssen alle anderen auch kommen. Wir haben die Szene wieder rausgenommen. Sollte Giuliani irgendwann Präsident werden und immer noch wollen, dann wäre er der erste.

Zur Person

Al Jean ist seit Beginn der Simpsons dabei und mittlerweile als Ausführender Produzent für die Serie verantwortlich. Auch am Film war er maßgeblich beteiligt. Er hat zudem einige "Alf"-Drehbücher geschrieben und einen Emmy für die Simpsons-Folge "Der berüchtigte Kleinhirn-Malstift" bekommen.

Ihre Geheimniskrämerei im Vorfeld des Filmstarts ging so weit, dass Anke Engelke, die deutsche Stimme von Marge Simpsons, bei den Synchronarbeiten angeblich nur die Passagen zu sehen bekommen hat, in denen sie selbst vorkommt.

Oh, es ging sogar noch weiter. Jede einzelne Seite des Scripts, jede Szene - auf allem und jedem stand mein Name. Das heißt, wäre irgendwas nach außen gelangt, wäre klar gewesen, woher es kommt.

Entsprechend aufgeheizt brodelte die Gerüchteküche im Internet.

Das war amüsant, es wurde natürlich wieder allerhand in den Film hineininterpretiert. Aber es gab einen Typen, der die ganze Geschichte ziemlich gut aus Gerüchten, dem Trailer und den wenigen Dingen, die wir im Vorfeld verraten hatten, zusammengepuzzelt hat. Erstaunlich.

Hatten Sie nicht vielleicht Angst davor, dass ihre obsessiven und strengen Fans den Film schon im Vorfeld verreißen könnten?

Nein, wir haben wichtige Szenen in Testvorführungen gezeigt. Einige haben funktioniert, andere gar nicht, die haben wir dann geändert. Ehrlich gesagt haben wir selbst grundsätzliche Szenen noch bis vor wenige Wochen komplett umgeschrieben. Die endgültige Fassung ist erst Mitte Juni fertig geworden. Also rund einen Monat vor dem Starttermin.

Wie groß war für sie die Umstellung, statt einer 22-minütigen TV-Sendung einen 90-Minuten-Film zu drehen?

Die Vorbereitungszeit war ziemlich lang. Von den ersten Ideen bis zur Fertigstellung haben wir vier Jahre gebraucht. Dann natürlich das riesige Leinwandformat. Es erlaubt eine viel größere Detailfülle. Es erlaubt, in jeder Ecke irgendwas passieren zu lassen, aber es muss auch in jeder Ecke etwas passieren. Und natürlich brauchten wir eine Geschichte, die anderthalb Stunden trägt, die Leute zum Lachen bringt, aber eben mehr ist, als nur drei aneinandergereihte Folgen. Selbst wer die Serie nicht kennt, kann und soll Spaß an dem Film haben.

Und, sind Sie zufrieden mit dem Resultat?

Leute in meiner Position sagen natürlich immer: Ich bin glücklich mit dem Ergebnis. Aber ich bin aber wirklich glücklich damit. Der Druck auf uns war enorm und wir haben schwer geschuftet, damit der Film gut wird. Wissen Sie, nach 18 Fernseh-Jahren haben die Leute so viele Erwartungen an einen Simpsons-Film. Aber klar, man kann es nicht allen Recht machen.

Es heißt, sie hätten das Filmprojekt jederzeit abblasen können.

Wir hätten den Film nicht gemacht, wenn wir nicht wirklich gewollt hätten. Uns ging es nicht ums Geld - im Gegensatz zum Filmstudio. Aber alle waren sich darüber einig, dass wenn das Drehbuch nicht wirklich perfekt ist, dann lassen wir es auch.

Können Sie vorstellen, noch einen Film zu machen?

(stöhnt) Fragen Sie mich in zehn Jahren noch mal. Ich bin für die Show verantwortlich und habe gleichzeitig am Film mitgearbeitet. Jetzt freue ich mich darauf, nur noch die Serie zu machen. Und zurzeit gibt es ohnehin keine Verträge für einen weiteren Film.

Es wird keinen Fortsetzungsmarathon à la Matrix oder Spiderman geben?

Ich halte nichts davon, schon auf Jahre im Voraus die jeweils nächsten Teile anzukündigen. Es ist doch viel wichtiger ein gutes Drehbuch zu haben und erst dann den Film zu machen. Wenn es ein gutes Script gibt, machen auch einen Film. Wenn nicht, dann nicht. Zum Glück haben wir die Möglichkeit, Nein zu sagen.

Apropos obsessive Fans. Als Chef des Simpsons-Universums können Sie sicher ein paar grundsätzliche Fragen beantworten.

Gerne.

Manchmal haben die Simpsons zwei, manchmal nur ein Auto. Wie viele sind es denn nun?

Zwei. Homer eins, Marge eins. Aber auch nicht immer. Wir sind da nicht so streng. Es gibt im Film eine Fenster-Szene, und der Regisseur sagt, so ein Fenster gibt es aber nicht - und ich habe geantwortet: Jetzt schon.

Gibt es so etwas wie einen offiziellen Plan, wie alles auszusehen hat?

Ja, es gibt ein paar Karten von Matt Groening. Aber auch die dienen nur als Anhaltspunkte. Im Film etwa ist die Kirche von Springfield direkt neben Moes Bar. Da war sie vorher nie und wird vermutlich auch nie mehr sein.

Ist ihnen Einheitlichkeit nicht so wichtig?

Was Charakter und Verhalten der Familie betrifft schon. Niemand darf glatzköpfiger sein als Homer, niemand Haare wie Bart haben. Was aber Springfield betrifft, ändern wir immer alles so, wie es die Witze erfordern. Das ist ja das Tolle von Cartoons - man kann alles so aussehen lassen wie man will.

Viele Fans meckern darüber, dass mittlerweile die Gags zugunsten der Geschichte in den Hintergrund rücken. Im Gegensatz zu früher, als die Grundhandlung nur als Trägermasse für möglichst viele Witze diente.

Stimmt teilweise. Am Anfang reichte es, simple Geschichten zu erzählen. Etwa: Marge sorgt sich darum, dass Homer pünktlich nach Hause kommt. Mittlerweile haben wir 400 Shows gemacht. Und über die Jahre sind die Geschichten natürlich etwas komplexer geworden - allein schon, um uns nicht zu wiederholen. Und die müssen natürlich auch anders erzählt werden. Das gilt übrigens auch für den Film. Andererseits haben wir mittlerweile junge Autoren, die mit den Simpsons aufgewachsen sind. Die bringen wieder etwas alten, neuen Wind in die Serie.

Verdienen Ihre Autoren eigentlich gut?

Sie tun es nicht wegen des Geldes.

Also nicht

(grinst). Die Simpsons werden auf der ganzen Welt geliebt. Ich meine, wer würde nicht bei uns arbeiten wollen? Es ist der beste Job der Welt.

Interview: Niels Kruse

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