"Die Bachelorette" Wie beim Bandscheiben-Vorfall im Bangbus

Von Ingo Scheel
Balztanz als Wasseraerobic
Balztanz als Wasseraerobic
© RTL
120 Minuten echte Gefühle? Von wegen. Jessi kichert, Basti grinst und André ist zerknirscht. Flaschendrehen, Grillabend, Modenschau standen diesmal auf der To-do-Liste. Und einen Unfall gab es auch noch.

"Ich warte darauf, dass Köpfe rollen", sagt der bärtige Mann mit dem stechenden Blick und grinst dabei ein schiefes Grinsen. Nein, das hier ist nicht irgendein Bekenner-Kanal im Darknet, das ist der Abend der verkümmerten Gefühle, der Sekunden-Flirts, der glutenfreien Würstchen und zwar nicht nur derjenigen auf dem Grill, sondern auch jener in den kurzen Hosen und mit dem Strohhütchen auf dem Kopf. Zehn Typen lungern noch im Musterhaus nach Malle-Art herum. Zehn Kandidaten-Darsteller, die auch ohne Handy so aussehen, als würden sie ständig ihren Screen checken. Der Phantomschmerz bei der Datenmenge jedoch muss ausgehalten werden, denn statt sich um den Restverstand zu tindern, sitzen die Buben sich hier den Hintern platt wie drittklassige Beckham-Darsteller beim Friseur ohne Voranmeldung.

Abgesehen haben es die Ein-Euro-Casanovas dabei mehr oder weniger immer noch auf die Bachelorette, auf Jessica Paszka, aber dass die Gute eben nicht irgendeine Miss Mustermann aus Bottropp-Kirchhellen ist, sondern eine medial erprobte Trash-Erfahrene mit hoher Schmerztoleranz und bereits absolviertem Viertelstunden-Ruhm, verkommt zur Sollbruchstelle in dieser Paarungsanordnung. Keiner, vielleicht mal abgesehen von Niklas, dem immer ein dünner Film Cholerikerschweiß die Stirn glänzen lässt, scheint es hier so wirklich Ernst zu meinen.

"Heute ist mein Gefühl nisch so gut, isch hoffe, isch täusche misch"

Zum Beispiel David: "Ich bin mir unglaublich sicher mit dir. Dass mich eine Frau so packt, das ist schon heftig", entfährt es dem tätowierten Trommelmännchen in einem Tonfall, so emotional wie eine Verspätungsansage über den Bordlautsprecher eines Regionalexpress der Deutschen Bahn. "Ich habe grrrroßes Interrresse an ihrrrr", behauptet Arnold, bei dem man jeden Moment damit rechnet, dass er das Spaßgebiss aus dem Mund nimmt und sowas wie "angeschmiert" oder "April, April" sagt.

André, immer noch unterhopft in Sachen Einzeldate, scheint schon aus Prinzip ein wenig gefrustet zu sein, Basti ist alles so egal, dass er das erste Beinah-Gepräch mit Jessica für einen kruden Monolog über Oberkörper-Sex nutzt. Domenico mag sich zwar durchaus motiviert an der einen oder anderen Intrige versuchen, vom Feeling her – "Heute ist mein Gefühl nisch so gut, aber isch hoffe, isch täusche misch" – hat er aber, Sie ahnen es bereits, nisch so ein gutes Gefühl.

Von der Bürokauffrau zur Bachelorette: Wer ist Jessica Paszka?
© Arya Shirazi/RTL
Wer ist Jessica Paszka?

Am überzeugendsten ist da vielleicht noch Johannes, ein pomadierter Business-Aal, der Sätze gern mit "Ondääähm", einer apoplektisch verwaschenen Kombination aus "und" und "ähm", beginnt, und der so hart rangeht, dass die Kumpels zu Hause vor der Röhre sich schon von den Scheinchen verabschieden, um die sie mit ihm auf dem letzten Broker-Seminar gewettet haben.

"Ich komm aus'm Pott"

Genau dieser Egoboost ist es denn auch, der beim Niklas die Schweißdrüsen stimuliert: "Deine klugscheißerische Art ständig, die nervt alle", haut der Hochstirnige dem Widersacher am Rande des Grillbüffets vor den Kopf. Der so Gescholtene braucht keine Minute, um sich wieder geradezurücken, sein "Der Parmesan ist hammer!"-Konter hat dabei eine derart absurde Qualität, dass Harold Pinter im Grabe gegrinst haben dürfte.

Dabei sind diese verkümmerten Unterhaltungen natürlich nicht alles, was so passiert, im Stammbüchlein mit den Partyspielchen standen diesmal Flaschendrehen (ernsthaft), eine improvisierte Modenschau, ein spontaner Strip. Noch was vergessen? Ach ja – Sebastian durfte Jessica im Dampfbad ein wenig durchkneten, Johannes nimmt auch zum Problemgespräch den Häppchen-Teller mit (der Parmesan!) und Buggy gefahren wurde schließlich auch noch. "Das kippt nicht um", sagt Marco da zu Jessica, die neben ihm am Steuer sitzt. "Dreh dich mal richtig rein." Gesagt, getan – aber als die Fahrerin dann auch noch, zugegeben mit etwas Verspätung, die Handbremse löst, da macht das Gefährt dann eben doch, was es will, und landet krachend auf der Seite. Jessica schreit wie beim Bandscheiben-Vorfall im Bangbus, einzig David "eilt" zu Hilfe, im Ruhrgebiet packt man eben immer einen Tick schneller zu: "Ich komm aus'm Pott, da sagt man 'Mäuschen, du gehörst zu mir'!"

Nun denn – am Ende hat keines der männlichen Mäuschen den Mumm, überhaupt auch nur "Piep" zu sagen, stattdessen steht die Bachelorette-Bagage traditionell da wie die Angeklagten in einem nordkoreanischen Schauprozess. Rose hier, Rose da, Menschen ohne Namen müssen das Haus verlassen. In der Vorschau zur nächsten Sendung sagt irgendeiner irgendwas mit "ficken". Vielleicht gibt es dann ja doch noch mal echte Gefühle.

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