Maniküre Hier wird am Image gefeilt

Erst Maniküre und Pediküre machen aus Männern echte Herren. Jedenfalls im kosmetischen Sinne.

Sie ist rothaarig und hat rot geschminkte Lippen. Das passt zu den kleinen roten Handtüchern hier und zu dem seidenen roten Gürtel, den die rote Maria um die Hüften trägt. Alle sind sie rothaarig und rot geschminkt, die engelsgleichen Frauen, benutzen alle diese roten Handtücher, in die ein Clarins-Schriftzug eingestickt ist. Sie bringt einen Tee mit leichtem Vanillegeschmack und erzählt, wie gesund der sei und wie ungesund Kaffee und so weiter und so weiter. Tschuldigung, kann grad echt nicht zuhören, rote Lippen, rote Haare. So gesund. Die Luft riecht auch gesund in diesem Kosmetikstudio, und Maria bittet in eine Art Zahnarztstuhl und sagt, ich möge mich entspannen. Es läuft auch diese japanische Entspannungsmusik, die von Zierfischen in Zierfischteichen erzählt. Vanillemusik.

Wie, bitte, entspannt sich einer im Zahnarztstuhl? Wie macht er das, wenn Maria mit einem Ding ankommt, das aussieht wie ein Zahnarztbohrer? Gütiges Vanillelächeln in Marias Gesicht, als sie das Ding an die Zehennägel ansetzt. Leichtes Kitzeln im Fuß, tut gar nicht weh. Trotzdem: Die Muskeln sind angespannt.

Entspannen Sie sich. Sagt Maria. Aber irgendwie kommt mir Entspannung wie harte Arbeit vor. Da macht dieses zauberhafte Sommersprossenwesen mit der Feile und dem Zahnarztding an einem rum, und man weiß, dass man als gepflegter Mann rausgehen und sich wie neu fühlen wird, aber die Muskeln, die wissen das nicht. Fehlfunktion im Hirn. Beim ersten Mal ist man immer aufgeregt, deshalb vielleicht.

Männer, sagt Maria. Männer müssen sich erst mal daran gewöhnen, dass es für sie jetzt diesen ganzen Betüddelkram gibt. Müssen sich drauf einlassen. Dafür hat Clarins in München einen eigenen Raum für Männer eingerichtet, als erstes Institut des Kosmetikriesen auf der ganzen weiten Welt. Nächstes Jahr, sagt Maria, gibt's von denen dann auch eine eigene Pflegeserie für den Mann.

WENN JUNGS ZU MÄNNERN

werden, ist die Spielerei vorbei, der Jugendquatsch, es wird ernst. Und wenn Männer richtig was vorhaben im Leben, lernen sie, wie man sich anständig die Schuhe putzt (soll ja auch ein Comeback haben: der Schuhputzer) und die Nägel rein und geschliffen hält. Maniküre und Pediküre machen also aus Männern gepflegte Männer, und die heißen dann Herren. Zumindest in der Kosmetiksprache.

Gedämpftes Licht, der Raum so weiß, als sei er eine architektonische Metapher auf die Reinheit; auf der Fensterbank ein Bambuspflänzchen in einer schlanken Glasvase, Sonnenstrahlen fallen herein. Um meinem Hals eine Stoffschlange, lauwarm und gefüllt mit dezent massierenden Kügelchen, Anisduft steigt hervor. Es duftet so gut und entspannt, und die Muskeln lockern sich, und Maria, die schaut jetzt so reizend von ihrem Höckerchen zu mir auf. Gedanken schweben fort. Sanfte Hände, sagt Maria. Danke, Maria. Sanfte Hände, krummer Rücken, so ist das in unserem Job.

Sie benutzt keine Schere, wie schön. Das würde die Poesie dieses Augenblicks auch zerstören. Dieses zärtelnde Feilen hat so was Allmähliches, Zeitverschwenderisches; das ist richtiger Luxus statt schnipp, schnapp, Nägel ab. Es gibt drei verschiedene Feilen in unterschiedlichen Stärken, unterschiedlichen Farben. Und Maria zupft mit einem filigranen, zangenartigen Gerät kleine Hautfetzen weg, die übrig geblieben sind; dann poliert sie die Nägel mit Sandpapier.

Immer wieder Tücher, lauwarme, rote Tücher. Maria holt eine Creme-Tube hervor und massiert den wunderbar riechenden Balsam in jeden einzelnen Finger ein, massiert und massiert, die Finger, die Handflächen, so als würde sie nie wieder damit aufhören. Jeunesse des Mains steht auf der Tube. Ich liege so da in dem Stuhl und stelle mir vor, wie es ist, wenn meine Hände dank der Kosmetikindustrie ihre Jugend zurückerhalten. Wie sie zwei Jahre jünger sind als der Rest meines Körpers und das wilde Leben eines 28-Jährigen führen; meine Hände.

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Markus Götting

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