Die Vorzeichen standen eigentlich perfekt für einen exzellenten Konzertabend. Wer die begehrten Karten für die Elbphilharmonie, besonders für das Konzert des weltbekannten Tenors Jonas Kaufmann, ergattert hatte, dürfte sich schon Wochen vorher auf den 12. Januar gefreut haben. Wie einige Besucher schmerzlich erfahren mussten, war in diesem Fall aber die Vorfreude ganz wortwörtlich die schönere Freude.
Am Tag nach dem Konzert überschlugen sich die empörten Berichte in den Hamburger Lokalzeitungen. Das Publikum sei während des Konzerts aufgestanden und aus dem Saal gegangen. Es habe laute Zwischenrufe gegeben, ein Zuschauer habe gerufen: "Hier hört man auch nichts." In diesen ersten Rückmeldungen zum Konzert-Fehlschlag wurde vor allem Kritik am Verhalten der Zuschauer geübt. Das kann man verstehen: Die Reaktionen störten sowohl den Konzertgenuss derjenigen, die den Tenor gut hören konnten – und sie störten natürlich auch den Tenor selbst.
Was lief schief bei diesem Konzertabend?
Erst in der Folge wurde aufgearbeitet, was überhaupt der Grund für den Aufruhr gewesen war: Die Zuschauer, die Plätze hinter der Bühne und dem Orchester bekommen hatten, hatten Kaufmanns Gesang aufgrund der Akustik schlicht nicht ordentlich gehört. Die Enttäuschung war groß, schließlich bezahlten die Elphi-Besucher viel Geld (gut 80 Euro pro Ticket); zudem ist es alles andere als einfach, überhaupt Eintrittskarten für das Wahrzeichen Hamburgs zu ergattern.
Nach dem Konzert kochten auch hinter den Kulissen die Emotionen hoch. "Das ist natürlich eine Gratwanderung nach einem Abend, der komplett aus dem Ruder zu laufen drohte. Christoph Lieben-Seutter und ich haben anschließend mit großer Offenheit mit Jonas Kaufmann über die Situation gesprochen, versucht, Ursachen zu benennen, die in der besonderen Saalbeschaffenheit und Akustik der Elbphilharmonie liegen", so Konzertveranstalter Burkhard Glashoff (Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette, ProArte) im "Hamburger Abendblatt". "Wir haben vollstes Verständnis für die Enttäuschung von Besuchern, die sich auf einen Abend mit Jonas Kaufmann gefreut haben und die Elbphilharmonie mit dem Gefühl verlassen haben, den Künstler nicht gut gehört zu haben. Für Zwischenrufe und das demonstrative Aufstehen an besonders leisen Stellen fehlt mir allerdings jedes Verständnis."
Kaufmann stellt Rückkehr in die Elphi in Frage
Dabei ist das Problem, dass Gesang in der Elphi nicht im ganzen Raum gleich gut zu hören ist, nicht neu. Schon bei der Eröffnung 2017 war dieses Phänomen beim Auftritt von Bryn Terfel, Wiebke Lehmkuhl, Pavol Breslik, Hanna-Elisabeth Müller und Philippe Jaroussky festgestellt worden. Dabei hieß es zuvor noch, durch die besondere Konstruktion des Großen Saals hätten auch die Menschen, die hinter der Bühne sitzen, ein optimales Hörerlebnis. Geht es um ein reines Orchesterkonzert ohne Gesang, mag das zutreffen. Stehen jedoch Solosänger auf der Bühne, kann sich das offensichtlich auch ganz anders darstellen.
"Ich frage mich auch wirklich, ob man bei der Planung dieses Saals einzig an Konzerte mit großen Orchestern gedacht hat und nicht an die Vielfalt unseres Metiers", kritisierte Kaufmann am Tag nach seinem Auftritt im "Hamburger Abendblatt". "Dieser Saal gibt einem keine Hilfe, das bemängele ich an ihm am meisten. Was meine nächsten Konzert-Engagements in Hamburg angeht: Ich möchte jetzt nicht 'nie wieder' sagen. Aber ich kann mir gut vorstellen, den nächsten Liederabend in der Laeiszhalle zu geben. Dort ist es doch wunderbar."
