Freizeit VIVA liebte DICH!

  • von Fiona Weber-Steinhaus
Anfang Dezember wäre der Musiksender VIVA zwanzig Jahre alt geworden. NEON-Redakteurinnen und Redakteure erinnern sich an ihren VIVA-Moment.

»Wie jede gute Familie verbrachte auch meine am Sonntag Zeit miteinander: Meine Eltern, mein zehn Jahre älterer Bruder und ich. Dafür setzten wir uns, nach den fränkischen Klößen, ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein: VIVA . Weil das Musikprogramm das Einzige war, worauf wir uns einigen konnten. Manchmal liefen auch die TOP 100 schon beim Essen im Hintergrund – wir fanden es wirklich spannend! Wenn mein Vater besonders lustig sein wollte, weckte er uns damit, dass er den Fernseher morgens bei Mambo No. 5, Lucilectric oder Samba de Janeiro auf 100 Prozent Lautstärke drehte. Mein Bruder und ich waren allerdings entsetzt, wenn unsere Eltern (ein Klassik- und Hausmusikliebhaber und ein Schlagerfan) die gleichen Lieder gut fanden wie wir. Das ließ uns an unserem Konzept von Coolheit zweifeln. Dass mein Bruder (damals 18) bei mir (damals 8) wohl auch gedacht haben muss, fiel mir erst später auf.«
Teresa Fries

»23 Uhr, so um den Dreh, 4. April 1994, das ganz sicher, auf dem Röhrenfernseher läuft irgendsoeinquietschlautbunter Quatsch aus dem Spätwerk der New Kids on the Block. Ich sitze mit ein paar Freunden auf dem Sofa, versuche, aktiv wegzuhören und warte, hoffe auf das nächste Video; meistens hoffe ich vergebens, meistens kommt dann doch wieder East 17, Take That, Joshua Kadison und Bryan Adams. Viva, Musikfernsehen im Allgemeinen, lautete damals unsere Theorie, funktioniert wie die Lotterie und macht deshalb auch süchtig: das nächste Video ist sicher besser. Oder das übernächste Video. Oder das Video danach. Und während wir auf der Couch sitzen und versuchen, aktiv wegzuhören und über Viva und das Musikfernsehen im Allgemeinen lästern, taucht eine Infotafel auf dem Bildschirm auf, verdeckt die Schmalzlocken von NKOTB: +++ Kurt Cobain tot aufgefunden +++ Mehr in Kürze +++.«
Tobias Moorstedt

»Auf unserem Fernseher lief ARD, ZDF, NDR, RTL, Sat.1 und Pro7. Kein VIVA. Kein MTV. Damals hieß das: Ich konnte nicht mitreden. Nicht über das neue Musikvideo von den Spice Girls, nicht darüber, wie witzig Stefan Raab, Charlotte Roche oder Oliver Pocher waren und schon gar nicht, was zur Hölle eigentlich Daisy Dee bei Club Rotation macht. Mir fehlte das Quäntchen Coolness, das auch mit zwölf, dreizehn ziemlich wichtig ist. Gott sei Dank nahmen manchmal Leute Musikvideos auf VHS auf, oder ich lungerte nachmittags bei Bekannten vor dem Fernseher herum. Als ich dann theoretisch regelmäßiger hätte VIVA gucken können – abends bei Freunden, im Fitnessstudio – bimmelten gefühlt nur noch Jamba-Werbefilme für Handyklingeltöne über den Bildschirm. Und ich redete mir ein, dass dieses Musikfernsehen sowieso total überschätzt war.«
Fiona Weber-Steinhaus

»Aufsteiger, Einsteiger und der Countdown: Erinnere ich mich an den Musiksender Viva, denke ich an den Moderator Mola Adebisi, seine Dreadlocks und die Top 100. Von 1994 – damals war ich neun Jahre alt – bis 2004 – da bekam ich mein Abi-Zeugnis – war er das Gesicht der Charts. Wenn die Top 100 liefen, schaltete ich meistens den Fernseher ein und fieberte mit, ob die Boygroup Caught in the Act oder Britney Spears auf den vorderen Plätzen landeten. Okay, von Platz 100 bis 30 hat es sich manchmal gezogen wie Kaugummi, aber die Top 30, die waren in den frühen 90ern so spannend, dass die Werbepausen mich wahnsinnig gemacht haben. Wegen Mola Adebisi wollte ich auch Dreadlocks haben, aber das habe ich zum Glück gelassen. Ich hatte Angst, ich würde sie nie loswerden. Und irgendwie hatte ich damit wohl Recht: Mola trägt immer noch Dreadlocks. Sogar 2013.«
Martina Kix

»Ein Hungerhaken in bunten Retrokleidchen, gedrechselte Sätze, die mehr Poesie als Anmoderation waren, und ein Augen Make-Up wie ein Stinktier: Charlotte Roche (in ziemlich bizarrer Kulisse, wie ich gerade beim Wiederanschauen auf Youtube finde!) moderierte ab 1998 die Sendung Fast Forward auf Viva II. Charlotte war cool, die Musik war cool, und die Rubriken waren zum Arschablachen, wie etwa die Sternstunden der Modefotografie. Charlotte Roche sponn dabei immer eine Geschichte zu den Menschen auf den abstrusesten Fotos aus Hochglanzmagazinen. Große Anteile ihrer Coolness bezog Charlotte Roche für mich aus dem britischen Teil ihrer Familie, der ihr den spektakulären Mittelnamen Grace und fließendes Englisch für Interviews brachte. So wollte ich auch sein. Immerhin hießen wir beide mit zweitem Vornamen Elisabeth. Ich schaute die Sendung jeden Abend. Danach ging ich ins Bett.«
Nora Reinhardt