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NEON-Reihe #sexbewusst Was passiert, wenn man sich 21 Tage täglich in der Vagina berührt

sexbewusst
Ein Programm verspricht, dass man dadurch die Empfindung in der Vagina verändern kann. Geht das wirklich? 
© © iStockphoto/Getty Images; Manu Franco/Unsplash; Illustration: Neon.de
Sofie, 31,  hat an einem Onlinekurs teilgenommen, in dem man sich 21 Tage in der Vagina berührt. NEON schildert sie, was sich dadurch für sie verändert hat.

Selbstbefriedigung. Die meisten tun es. Manche oft, manche seltener oder auch gar nicht. Wenige sprechen darüber. Ändert sich unsere Lust, wenn wir uns oft oder weniger oft berühren? Und spielt es eine Rolle, wie wir das tun?

Die neuseeländische Sexologin Olivia Bryant bietet ein Online-Programm an, das sich "SelfCervix" nennt. Darin können Frauen auf eine Forschungsreise gehen, und 21 Tage lang ihr Becken und ihre Scheide erkunden. Das Versprechen: Mehr Lust und neue Arten von Orgasmen.

NEON-Reihe #sexbewusst: Was passiert, wenn man sich 21 Tage täglich in der Vagina berührt

Sofie ist 31 Jahre und neugierig auf das Thema Sexualität: "Ich habe gerne Sex - mit meinem Partner und mit mir allein". Sie hat Bryants Kurs gebucht. NEON erzählt sie, was sie dabei erlebt hat: 

21 Tage Vulva, Vagina, Muttermund

"Es geht los: Ich melde mich an und bekomme Zugang zu einer geheimen Facebook-Gruppe. Hier können sich Frauen über ihre Erfahrungen in den drei Wochen austauschen. Olivia Bryant moderiert, hilft bei Fragen und spricht in Live Calls mit den Teilnehmerinnen. Einige von ihnen sind selbst Therapeuten oder arbeiten körpertherapeutisch mit Frauen. Ich erhalte auch die Inhalte des Online-Programms. Auf dem Kursplan stehen nun 21 Tage lang: Vulva, Vagina, Muttermund - inklusive praktischer Übungen. Klingt wie angeleitete Selbstbefriedigung? Ist es auch. Fast.

Berühren, um zu spüren statt zu kommen

Gleichzeitig ist es viel mehr: In dem Programm teilen Hebammen, Neurologen, Tantralehrer und Sexberater in Interviews ihr Wissen über den weiblichen Körper und die Geschlechtsteile. In Videos erklärt Olivia die Anatomie und Struktur. Daneben geht es auch um den Umgang mit sich selbst: Zum Beispiel das Wahrnehmen und Setzen von Grenzen in intimen Situationen wie beim Sex oder auch beim Besuch beim Frauenarzt.   

In angeleiteten Körperübungen können sich Frauen bewusst mit ihrem Becken und der Vagina auseinandersetzen. Dabei geht es nicht um Selbstbefriedigung, sondern um Selbstberührung. Das heißt nicht berühren, um zu kommen, ist das Credo, sondern: berühren, um zu spüren. Wie fühlt sich etwas an, statt wo will ich hin. Es geht darum, sich zu entspannen und wahrzunehmen, was im Innern entsteht, während man Vulva und Vagina abtastet.

NEON-Reihe #sexbewusst: Was passiert, wenn man sich 21 Tage täglich in der Vagina berührt

Kaltstart

Meine Suche nach neuen Empfindungen beginnt mit einer Bruchlandung: Das Programm führt mich in den ersten Tagen langsam mit Meditationen und Visualisierungen in mein Becken. zu meiner Vagina und Gebärmutter. Erst nach einigen Tagen beginnt das Körperprogramm. In den Übungen führt Sexologin Bryant uns langsam zu Vulva und zu den inneren Genitalien. Insgesamt dauert das eine Stunde. Mir scheint das viel zu lang. 

Ich nehme eine Abkürzung, überspringe die ersten Teile und beginne mit Übung drei zum unteren Innenraum der Vagina. Mit einem Glasdildo, den ich für das Programm gekauft habe, taste ich den Eingang ab. Ich spüre Kälte und sonst nichts. Dann verspanne ich mich. Berührung im Innern ohne Aufwärmen - das ist also nichts für mich. Ich brauche Zeit.

Was ist #sexbewusst?

Sex kann die schönste Sache der Welt sein – und die schwierigste. Die gute Nachricht: Richtig guten Sex kann man lernen! Also lasst uns darüber reden. Über Lust, über Fantasien, über Tabus und über den weiblichen Körper. Wir haben uns schlau gemacht, die weibliche Anatomie studiert, renommierte Wissenschaftler aus aller Welt getroffen, mit Sexberatern gesprochen und Mythen entlarvt. Das Ergebnis zeigen wir euch in unserer 20-teiligen Video- und zehnteiligen Podcast-Serie #sexbewusst. Jede Woche widmen wir uns hier einem neuen Thema. Wir freuen uns, mit euch darüber zu reden. Schreibt uns an sexbewusst@neon.de.

Taubheit, Trauer, Lust

Ich beginne von vorne mit Übung eins: Ich lege mich hin, stelle die Playlist an, die Olivia dafür zusammengestellt hat, und folge ihrer Stimme in der Aufnahme. Die Berührungen an meinem Hals, Schultern, Brüsten und Bauch lassen mich in meinem Körper entspannen. Ich fühle mich ein. Als ich nach einer halben Stunde wieder das Innere meiner Vagina kreisförmig abtaste, ist der Raum weicher und weiter.

Aber auch jetzt spüre ich wenig. Es fällt mir schwer zu verorten, an welcher Stelle der Stab ist. Dann lasse ich ihn an einem Punkt ruhen, so wie es mir die Stimme in der Aufnahme rät. Plötzlich verändert sich das Gefühl. Ein leichtes Brennen entsteht, ich atme tiefer, spanne mein Becken an und atme in das Brennen hinein, dann entspanne ich wieder. Auch dazu rät mir Olivias Stimme.

Nach einer Weile dehnt sich das Brennen zu einem Schmerz aus. Eine Träne rollt über meine Wange, ich fühle mich traurig - dann ist das Gefühl vorbei.

Erlebnisse wie dieses habe ich in den folgenden Tagen immer wieder. Bereiche in meiner Vagina fühlen sich erst taub an, verändern sich nach einer Weile, beginnen zu schmerzen, warm zu werden, zu drücken. Ich empfinde Trauer, Wut - und nach einer Weile auch immer mehr Lust.

Auch das Gewebe in meinem Innern verändert sich: An einigen Stellen entdecke ich mit meinen Fingern kleine, narbenartige Flächen. Nach einer Weile des Berührens und Spürens werden sie weicher. Meine Vagina so zu ertasten, ist eine neue Erfahrung für mich. Ich lerne die raue Fläche vorne, im oberen Drittel der Vagina mit meinen Fingern genau kennen. Im Liegen, entspannt, erfühle ich mit einem Finger die ebenen Areale im hinteren Bereich und nach einigen Tagen auch das weiche und feine Gewebe des Muttermunds. Kurzum: Ich begreife mein Inneres neu.

Was ändert sich im Alltag?

So interessant diese Erfahrung ist, der Kurs hat auch seine Tücken für mich. Das Erste, was passiert, ist: Ich gerate unter Zeitnot. Ein bis zwei Stunden pro Tag für Selbstberührung freizuschaufeln, fällt mir schwer. Da ist der Arbeitsalltag und dazu kommt, dass wir gerade das Schlafzimmer renovieren. Ich muss passen und ziehe die Einheiten nicht jeden Tag durch.

Trotzdem verändert sich etwas: Ich beginne ein genaueres Bild von meinem Inneren zu entwickeln. Auch auf die Beziehung und den Sex mit meinem Freund wirkt sich das aus. In der ersten Woche fühlt es sich für mich noch etwas seltsam an, mehr Zeit beim Sex mit mir allein zu verbringen als mit ihm. Sein Lächeln, wenn ich mich mal wieder in unser zum Notschlafzimmer umfunktioniertes Wohnzimmer zurückziehe, ermuntert mich, und lässt den Anflug eines schlechten Gewissens schnell verfliegen.

An Tag 14 merke ich, dass ich meinen unteren Bauch mehr wahrnehme. Ich kann spüren, wie es mir dort gerade geht. Und ich habe mehr Energie. Ich fühle im Innern mehr. Der Sex mit mir und der Sex mit meinem Partner wird intimer. In manchen Momenten tauchen auch mit ihm Schmerzen auf, als er sich in mir bewegt. Dann bitte ich ihn kurz Innezuhalten. Einmal weine ich, ein anderes Mal zieht eine neue Welle der Lust durch mich. Ich lerne: Gefühle wie Trauer oder auch Scham können neben der Lust beim Sex dabeisein. Ohne Wertung, ohne Drama, das macht die Erfahrung intimer.

Intimität statt Superorgasmus 

Was hat sich nach den 21 Tagen verändert? Ich spüre auch heute noch häufig in meinen Bauch und mein Becken und kann die Bereiche in meiner Vagina differenzierter wahrnehmen. Allerdings habe ich keinen vaginalen oder Muttermund-Orgasmen erlebt. Dass mich der große Rausch nicht erfasst hat, finde ich aber nicht so schlimm. Viel wichtiger: Ich finde tiefere Intimität und Zärtlichkeit - mit mir selbst und meinem Partner."

Ihr habt selbst mal eine Erfahrung gemacht, die euer Sexleben verbessert hat? Erzählt uns eure Geschichte! Schreibt an: sexbewusst@neon.de.

Susanna-Sitari Rescio
© Credit: Olivia Vogée

Sexualberaterin Susanna-Sitari Rescio

Seit fast zwanzig Jahren arbeitet die gebürtige Italienerin als Sexualberaterin, seit zehn Jahren als Sexualtherapeutin in Hamburg. Sie ist Autorin des Buches "Sex und Achtsamkeit", bietet Beratung sowie Fortbildungen und Supervision in der Sexologie und Sexualberatung an. Außerdem leitet sie körperorientierte Selbsterfahrungsgruppen. Hier geht es zum Podcast. 

Hier könnt ihr eine Übung aus dem Kurs selbst ausprobieren

Olivia Bryants Programm "Self-Cervix" existiert nur auf Englisch und ist kostenpflichtig. Dass sich dadurch Orgasmen verändern, ist nicht bewiesen. Viele Teilnehmerinnen berichten aber, dass sich ihre Lust und ihr Zugang zu sich durch den Kurs verändert hätten.

Neben dem Programm gibt es auch Angebote anderer Sexcoaches, die das Vaginal Mapping oder Dearmouring anbieten - wie zum Beispiel Bonnie Bliss  oder Silja Rehfeldt -  oder Tantrakurse für Frauen, wie zum Beispiel NoGuru oder Aruna.

Ihr wollt selbst ausprobieren, was beim Spüren nach innen passiert? In der neuen Folge unseres Podcasts haben wir eine Übung aus Olivia Bryants Programm für euch: Sie hilft euch, eure Vagina und den Muttermund wahrzunehmen und die Muskeln im Becken zu entspannen. Wir haben sie zusammen mit der Sexualtherapeutin Susanna-Sitari Rescio für euch aus dem Englischen übersetzt und adaptiert. Viel Spaß beim Zuhören!

liri

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