Für alles gibt es einen Standard: für Papiergrößen, Ladegeräte und Gurkenformen, für das Maß von Gräbern und sogar für Beziehungen. Der ist zwar nirgendwo verbindlich aufgeschrieben worden, dafür aber überall sichtbar. Drei Stufen, meist in festgelegter Reihenfolge, versuchen zu definieren, auf welchem Level der Verbindlichkeitsskala man gerade steht.
Basic-Paket: in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Pro-Version: heiraten. Deluxe-Endstufe: Kinder bekommen.
Etappensiege, die entsprechend groß gefeiert werden. Und trotzdem gibt es, weit vor der ersten gemeinsamen Wohnung und lange nach dem dritten Kind, immer auch die kleinen Schritte, die manchmal so beiläufig, skurril oder alltäglich erscheinen, dass sie kaum jemand sieht und also auch nicht zum Jubeln vorbeikommt. Da fliegt kein Lametta, da lässt niemand Luftballons steigen oder schmeißt eine große Party. Und trotzdem sind sie entscheidend, weil sie die Beziehung beiläufig auf ein neues Level heben. Sie machen uns zu Komplizen in einer Geschichte, die nur wir kennen, oder sind der Beginn eines Rituals, das Tradition werden möchte und damit auf eine lange gemeinsame Zukunft verweist.
S. (25) und H. (20) stehen zusammen
"Meine Freundin H. und ich leben in einer lesbischen Partnerschaft, seit etwa zwei Jahren. Als wir gerade ein paar Monate zusammen waren, feierte die Oma meiner Freundin groß ihren 70. Geburtstag, zu dem wir eingeladen waren. Wenige Tage zuvor hatte die Oma meine Freundin angerufen, um sie zu bitten, mich nicht mitzubringen. Sie wolle sich nicht den Fragen ihrer Freundinnen und Bekannten stellen müssen, wer ich denn sei und zu wem ich gehöre. Und das, obwohl meine Freundin sich schon einige Jahre zuvor vor ihrer Familie geoutet hatte. Ich hatte sogar ihre Oma bereits kennengelernt, wir sind sehr freundlich miteinander umgegangen.
Der Bruder meiner Freundin und die Mutter durften ihre Partner mitbringen, nur meine Freundin sollte das nicht tun. Sie erklärte ihrer Oma sehr sachlich, wie sie sich dabei fühle und welche Bedeutung die Beziehung zu mir für sie habe. Dann sagte sie, sie selbst werde die Einladung zu der Geburtstagsfeier ausschlagen, wenn sie ohne mich kommen müsse. Letztendlich hat sich die Familie zusammengesetzt und das Problem geklärt, aber ich war in diesem Moment sehr stolz auf meine Partnerin, die sich mit aller Liebe für mich ausgesprochen hat und bereit war, ihrer eigenen, sehr geliebten Oma die Stirn zu bieten, mit damals gerade 19 Jahren. Das berührt mich heute noch."