Bewusste Ernährung Wie ich als Vegetarierin täglich meinen inneren Schweinehund bekämpfe

Von Refinery29-Autorin Melissa Graber
Wurst, Fleisch, Fisch: Wie ich als Vegetarierin täglich kämpfen muss
"Gab es mal kein Weißwurstfrühstück, gab es Mamas Rührei mit Sucuk." (Symbolfoto)
© Getty Images
Unsere Autorin entschied sich, vegetarisch zu leben. Es folgten ein reines Gewissen und viele Tagträume rund um Wurst und Fleisch. Ob diese jemals aufhören werden?

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Meine ersten Worte waren: "Mama, Papa, Wurst". Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ich bin in der bayerischen Provinz aufgewachsen. Das bedeutet, ich war mit Fleischwaren in Hülle und Fülle umgeben. Gab es mal kein Weißwurstfrühstück, gab es Mamas Rührei mit Sucuk. Auf dem Pausenhof wurde unter der Hand das lausige Käsebrot gegen Susis Salamibrot getauscht. Zum Schlachttag des Schützenvereins zu gehen, war so selbstverständlich, wie von Elisabeth, der netten Verkäuferin der Dorfmetzgerei, eine Scheibe Gelbwurst zugesteckt zu bekommen.

Der Vegetarier hingegen war ein Fabelwesen, über das zwar hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, das aber auf dem Land noch nie jemand mit eigenen Augen erblickt hatte. Zu Kindergeburtstagen gab es Halsketten aus kleinen Wiener Würstchen, oder matschige Cheeseburger in der Juniortüte. Mein Lieblingstier war einst der Mettigel, bis zu jenem Tag, als ich aufgehört habe, Fleisch zu essen.

Das passierte nicht etwa aus einer Laune heraus, oder weil mir Fleisch nicht mehr schmeckte. Es war pure Vernunft. Es war der Wunsch, dass kein Tier mehr für meine Ernährung sterben sollte.

Ich liebe Wurst. Und Fleisch. Und Fertiggerichte

Leider liebe ich, nach wie vor, Wurst. Und Fleisch. Und Fertiggerichte. Trotzdem habe ich all das, nahezu komplett, aus meiner Ernährung gestrichen, da es mir und meiner Umwelt nicht gut tat. Jede Handlung ist politisch, wie ich finde. Das gilt auch für die Essenszubereitung.

Es gab es ein großes Familiendrama, als ich Weihnachten nicht mehr Omas Truthahn essen wollte. Ab und zu streichle ich wehmütig im Supermarkt die Tüte mit den abgepackten Ravioli, die nur noch heißes Wasser zur Genießbarkeit bräuchte. Auch schließe ich manchmal die Augen, und stelle mir vor, mit dem ganzen Gesicht in einen Döner Kebab zu tauchen, während ich mir, in der Realität, einen bunten Rohkostmix auf dem Teller arrangiere.

Ich bilde mir nicht ein, mit meinem Handeln die Welt retten zu können, aber ich kann sie - zumindest ein klitzekleines bisschen - besser machen. Wo sollte ich anfangen, wenn nicht bei mir selbst? Wenn ich darauf achte, dass es mir in meiner körperlichen Hülle gut geht, kann mein Kopf auch richtig arbeiten, kann Entscheidungen treffen und Konsequenzen ziehen.

Dem Gehirn ist schwer zu widerstehen

Ich kenne es übrigens nur zu gut, wenn man nach der Arbeit keine Lust mehr hat, sich länger als eine halbe Stunde in die Küche zu stellen, um sich etwas Frisches zu kochen, was dann, etwa aufgrund fehlender Geschmacksverstärker, noch nicht mal lecker ist.

Dinge umzulernen ist lang und zäh. Auch und gerade für konstant überreizte Geschmacksnerven. Unser Gehirn verlangt ständig nach schneller Energiezufuhr. Dem ist schwer zu widerstehen.

Daher würde ich nie mit erhobenem Zeigefinger auf die Teller anderer Menschen deuten, es sei denn, dort liegt etwas Schmackhaftes, wovon ich ein Stück abhaben möchte.

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