Politikverdrossenheit Danke, Lena Meyer-Landrut: Warum mehr politische Themen auf Instagram gehören

Von Caroline von der Goltz
Instagram: Warum mehr politische Themen auf die Fotoplattform gehören
Instagram brauche mehr politische Themen, findet unsere NEON-Autorin. Kurzum: weniger vom linken mehr vom rechten Bild.
© Hans Vivek / Markus Spiske / Unsplash
Instagram ist ein kuschliger Ort. Nichts piekt oder zwickt, und wenn doch, wird es schnell wieder taub im Dunst der kollektiven Selbstbeweihräucherung. Das muss aufhören. Denn: Wir tragen eine Verantwortung – eine, die zur Chance wird, wenn wir anfangen, sie zu übernehmen.

Einundachtzigtausend. Das ist die Zahl der digitalen Unterschriften, die dafür gesorgt haben, dass die Petition von NEON und einhorn für die Abschaffung der Luxussteuer auf Periodenprodukte im Petitionsausschuss vor dem Bundestag diskutiert werden muss. Es ist auch die Zahl der Menschen, die sich mit diesem Anliegen auseinandergesetzt haben.Viele davon haben es öffentlich geteilt,  haben es gewagt, wütend zu sein und daran geglaubt, dass ihre Stimme zählt und für mehr Gerechtigkeit sorgen kann.

"Egal wie, es ist ein bisschen mehr Mut zur Meinung gefragt", schrieb Lena Meyer-Landrut in einem Instagram-Post, der auch für letzte fehlende Stimmen zum Erreichen des Quorums mitverantwortlich war. Es sei an der Zeit, Dinge öffentlich zu diskutieren – auch, wenn man sich damit angreifbar mache oder gar einen Shitstorm riskiere. Ihre Worte kamen an: 121.000 Leuten gefällt das, "weiter so!", heißt es in den Kommentaren, und: "Danke, Lena".

Lenas Kommentar kann man als Aufruf verstehen, auch aber als Statement zu einem Zeitgeist-Phänomen, - nein: -Problem - das symptomatisch für dieselbe Plattform steht, über die sie hier kommuniziert. Die sozialen Medien sind geflutet von generischen Inhalten, von arrangierten Cappuccinos und Blumenbouquets, von Strandschaukeln und Sneakerwahnsinn, von feinporigen Konterfeis. Bilder sind zu Codes für einen gewissen Lifestyle geworden. Klar: Sie dienen zur Selbstinszenierung. Sie wollen bewertet werden, positiv, und ein Abbild konstruieren, das oft keinen Raum für Verwundbarkeit bietet.

Aber stehen sie nicht gleichzeitig für die Sehnsucht nach einem Wir-Gefühl, nach Zugehörigkeit zur jeweils auserkorenen Subkultur – und nach Identifikation?

@Instagram: Es ist an der Zeit, echt zu sein

Genau da kann man ansetzen, denke ich, bei dem Bedürfnis nach einem neuen und jungen Gemeinsam – einem, das sich politischen und sinnstiftenden Themen zuwenden kann, um sie von innen heraus zu reflektieren. Wir, als Generation, können uns solidarisieren, uns inspirieren, einander aufklären und dabei auch mal verletzlich zeigen. Und: Wir können uns über unsere eigene Wirkungskraft bewusst werden, über die Gestaltungsmöglichkeiten, die erst durch die Auseinandersetzung mit diesen Themen sichtbar werden. Wir können On- und Offline-Gemeinschaften bilden, die aufrichtigen Austausch voraussetzen, und eine gemeinsame und laute Stimme entwickeln. Und genau dafür ist Instagram doch perfekt: Wir sind dort zuhause. Wir wissen, wie man dieses Tool nutzt, wie man in Wort und Bild kommuniziert, um möglichst viel Resonanz zu erzeugen.

Selfies und Schmerzthemen können koexistieren, Lenas Post zeigt das. Und er ist kein Einzelfall: Immer mehr Influencer versuchen, diese dicke Wand aus Narzissmus und Nabelschau zu durchbrechen. Ganz zu schweigen von denen, die ihren Hauptfokus auf Frieden und Solidarisierung gelegt haben – Daria Alizadeh und Nike Jane etwa – und die mit ihrer Reichweite großartige Arbeit leisten. Oder Rezo: Er hat den Beweis dafür geliefert, dass Millionen von Netzbewohnern nach Information und Reflektion dursten.

Und jetzt sind auch wir dran – wir, mit 2.000, 600 oder 70 Abonnenten. Als selbstdenkende, friedliebende und privilegierte junge Menschen wächst unsere Verantwortung mit jedem weiteren Follower, auch schwierige Themen als selbstverständlichen Teil unseres Alltags ­– also auch und vor allem online – zu etablieren. Sie weniger abstrakt und dafür zugänglich zu machen. Mit eigenen Geschichten und Erfahrungen. Mit Offenheit und dem Interesse am respektvollen Diskurs. Mit Mut – aber auch Großmut gegenüber jenen, die verunsichert sind und sich (noch) verschließen.

Es ist an der Zeit, dem alltäglichen Eskapismus in glatte und gleichgeschaltete Digitalgefilde ein Ende zu setzen. Es ist an der Zeit, echt zu sein und dadurch offen für echte Themen zu werden. Im Interesse aller – aber vor allem uns jungen Menschen, die noch eine Weile auf diesem Planeten verweilen wollen.

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