Protokoll: Fiona Weber-Steinhaus | Foto: Sandra Stein
»Deutschland hat in der Welt einen fast makellosen Ruf. Bevor ich von der Türkei mit einem Studentenvisum nach Deutschland flog, habe ich im Internet viel über die deutsche Geschichte und das demokratische Parteiensystem gelesen: Ich wusste, dass man hier demonstrieren und seine Bürgerrechte einfordern darf. Ich dachte, hier geht alles geordnet zu. Was ja auch stimmt. Aber das Asylverfahren läuft leider oft beliebig ab. Manche Menschen bekommen nach drei Monaten ihre Aufenthaltsgenehmigung, ich musste sieben Monate warten. Bei anderen dauert es noch viel länger. Aber warum? Ich habe nicht die deutsche Sprache gelernt, um in meiner Wohnung zu sitzen. Ich will weiter lernen und arbeiten. Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr einen Studienplatz für Medizintechnik bekomme und bald in einem Krankenhaus arbeiten kann.
Politisch engagiert war ich schon immer: Als im März 2011 die Proteste gegen Assad anfingen, war ich einer der ersten Demonstranten auf der Straße. Ich hatte damals gerade mein Studium begonnen. Auch vor dem Krieg herrschte in Syrien keine Meinungsfreiheit aber dann wurde es immer gefährlicher. Ich bin aus Syrien geflohen, um der Verhaftung und dem Militärdienst zu entgehen. Wenn es Ungerechtigkeiten gibt, finde ich, muss man dagegen kämpfen, egal ob man in Daraa oder Dortmund ist: Fünfzig Männer und ich haben dort im Frühjahr ein Protestcamp errichtet die Idee verbreitete sich über soziale Netzwerke. Es kamen immer mehr Demonstranten und Unterstützer. Es ging uns vor allem um die Beschleunigung des Asylverfahrens. Denn diese Ungewissheit macht einen fertig. Fast sechzig Tage habe ich in dem Camp geschlafen, in meiner Wohnung war ich nur ab und zu zum Duschen. Ich war einer der wenigen Campbewohner, die gut Deutsch sprachen, deshalb habe ich mit der Polizei verhandelt und für andere übersetzt. Ob der Protest etwas gebracht hat? Zumindest meinte ein Mitarbeiter des Migrationsamtes, er würde die Anträge prüfen. Vielleicht ein Anfang.«