Protokoll: Judith Liere, Fiona Weber-Steinhaus | Foto: Frauke Thielking
»Als ich Ende Juni zusammen mit anderen Flüchtlingen nach Freital gebracht wurde, haben uns viele Menschen beschimpft. Manches war auf Englisch, das habe ich verstanden, den Rest nicht, aber es war klar, dass es abfällig gemeint war. Sie haben gesagt, dass sie hier keine Araber und keine Flüchtlinge haben wollen und dass wir uns in Acht nehmen sollten, wenn wir auf die Straße gehen. Ich lasse mich davon aber nicht einschüchtern. Ich habe in den vergangenen Jahren so viel Schlimmeres überstanden jetzt will ich einfach leben. Vier Jahre dauerte der Krieg in Syrien schon, als ich gemeinsam mit meinem Mann, meinen vier Geschwistern, meinem Schwager und meinem Onkel aus Damaskus geflohen bin. Kurz zuvor wurde mein Vater von einer Mörsergranate getötet. Mein Mann saß in Syrien im Gefängnis und wurde gefoltert. Wir waren zunächst vier Monate in der Türkei, aber da gibt es keine Arbeit und keine Zukunft. Also haben wir uns auf den Weg nach Deutschland gemacht, mit dem Boot nach Griechenland, per Bus, zu Fuß und auf Fahrrädern durch Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich. Wir haben gehört, dass es in Deutschland die besten Ausbildungsmöglichkeiten gibt. In Damaskus habe ich als Reiseführerin gearbeitet, hier möchte ich Krankenschwester lernen. Mein Vater ist gestorben, weil es in Syrien keine ausreichende medizinische Versorgung mehr gab. Ich möchte meiner Familie in Zukunft helfen können, wenn einem von uns etwas zustößt.
Vor dem Flüchtlingsheim ist es mittlerweile ruhiger geworden, aber auf der Straße wird man noch belästigt. Eine Freundin von mir trägt Kopftuch das macht die Leute hier sehr wütend. In Syrien kamen Moslems und Christen gut miteinander aus, man hörte Muezzin-Rufe und Kirchenglocken. Hier scheint das eher schwierig zu sein. Ich versuche aber, diese Leute zu ignorieren. Denn die meisten Deutschen sind sehr nett und hilfsbereit. Wie lange ich in Freital bleibe, weiß ich nicht. Im Flur hängt eine Tafel, wenn da mein Name steht, heißt das, dass ich wieder woanders hingebracht werde. Deutschunterricht bekomme ich noch nicht, aber ich habe mir ein Vokabelheft angelegt und mit dem Lernen angefangen. Ich will schnell mit den Leuten hier reden können, um ihnen zu zeigen, dass wir nicht die bösen Menschen sind, für die sie uns offenbar halten.«