Sie wollten sich erholen, zwei Wochen lang die Sonne genießen, die unberührte Natur im Hügelland entlang des Guadiana-Flusses, ein wenig abseits vom Massentourismus an der Algarve-Küste im Land gelegen. Karl Kleine-Brockhoff, 69, Rentner aus Essen und seine Frau Rita waren bei Freunden zu Gast, die ein Haus in einem kleinen Dorf nahe der Kleinstadt Alcoutim besitzen. Doch was wie ein ganz normaler Urlaub begann, wurde zu einem Alptraum. Der Mann ist spurlos verschwunden, groß angelegte Suchaktionen verliefen bislang ergebnislos. Jetzt ermittelt die portugiesische Kriminalpolizei wegen möglicher Entführung.
Ein netter Nachmittag in einem schönen Städtchen
Mitte Juni, es war ein Samstag, planten die vier Freunde das Stadtfest von Alcoutim zu besuchen. Es sollte ein netter Nachmittag in dem hübschen Städtchen mit seinem kleinen Flusshafen werden, das bunte Fest würde viele Besucher anziehen. Die rund acht Kilometer bis Alcoutim wollte Karl Kleine-Brockhoff zu Fuß gehen. Den Weg über die Feldwege in der rauen, trockenen Hügellandschaft traute er sich zu. Kurz nach 13 Uhr verließ er die winzige Siedlung Casa Branca, er hatte weder ein Telefon noch Wasser oder eine Karte dabei. Allerdings steckte er sein gesamtes Bargeld ein, mehr als 500 Euro. Eine Marotte: Er sorgte sich um mögliche Einbrüche in Häusern, die von Touristen gemietet werden. Erst ging es ein Stück die Straße entlang, dort wurde der großgewachsene Mann von Einheimischen noch gesehen. Dann begannen die Feldwege über die Hügel Richtung Alcoutim. Es sollte nicht allzu lange dauern, zwei Stunden vielleicht. Doch Karl Kleine-Brockhoff kam nie an.
Am Sonntag begann die lokale Feuerwehr mit ihrer Suche. Vielleicht hatte sich der Rentner im harten Gestrüpp verletzt, war gestürzt, vielleicht hatte ihm die Hitze zu schaffen gemacht. Man ging alle Wege ab. Nichts.
Der Sohn macht sich sofort auf den Weg
Seit Montag ist sein Sohn Thomas Kleine-Brockhoff, 46, vor Ort. Der Washingtoner Korrespondent der Wochenzeitung "Die Zeit" hatte sich sofort auf den Weg gemacht, als er hörte, sein Vater sei spurlos verschwunden. Jetzt mobilisierte er Suchtrupps und vor allem einen Hubschrauber der spanischen Guardia Civil mit Infrarot-Kameras. Sie registrieren Temperaturunterschiede, sie kann menschliche Körper aufspüren.
Bis Dienstag hatten Dutzende Polizisten der portugiesischen Nationalgarde und Helfer mehr als 40 Quadratkilometer unwegsames Gelände durchkämmt, auf Pferden, zu Fuß, mit Hunden. Bis in die Nacht flog der Hubschrauber das gesamte Areal zweimal ab. "Die Piloten sagten uns, sie seien hinreichend sicher, dass in dem Gebiet kein menschlicher Körper zu finden sei, weder tot noch lebendig", sagt Thomas Kleine-Brockhoff. "Ich bemühe mich, dies als gute Nachricht zu verstehen. Denn dann lebt mein Vater ja vielleicht noch."
Jetzt übernimmt die Kriminalpolizei aus der Kreisstadt Faro den Fall. Die Behörden sind hochnervös. Denn hier an der Algarve, im Tourismus-Zentrum Portugals, war Anfang Mai die vierjährige Madeleine McCann aus Großbritannien spurlos verschwunden. In diesem Fall wird der Polizei vorgeworfen, erst viel zu spät aktiv geworden zu sein. Sie hätte die Öffentlichkeit viel früher über eine mögliche Entführung des kleinen Mädchens informieren sollen.