Welchen Namen trägt Gott? Diese Frage debattieren seit zwei Jahren mehr als 50 Theologinnen und Theologen, die die Bibel neu übersetzen. Ihr Ziel ist es, die vor allem gebrauchten Anreden "Herr" und "Vater" durch weniger männliche besetzte Begriffe zu ersetzen oder zu ergänzen. Das ist nur einer von vielen Änderungen, mit denen sie die weibliche und auch die jüdische Seite der biblischen Geschichten stärker herausarbeiten wollen. Ihre "Bibel in gerechter Sprache" soll spätestens 2006 erscheinen.
Antisemitische Formulierungen überarbeiten
An dem Projekt, das die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit dem Gütersloher Verlag organisiert, beteiligen sich etliche renommierte Wissenschaftler wie der Bielefelder Professor Frank Crüsemann, seine Bochumer Kollegen Klaus Wengst und Jürgen Ebach sowie Luise Schottroff aus Berkley (USA). Sie sollen bis Ende des Jahres ihre Übersetzungen vorlegen. Danach werden die Texte in ausgewählten Gemeinden geprüft und Überarbeitungen angeregt.
Der Ansatz ist keineswegs neu, seit Jahrzehnten mahnt die so genannte feministische Theologie Korrekturen der Bibelübersetzungen an. Auch der jüdisch-christliche Dialog hat missverständliche und antisemitische Formulierungen aufgedeckt. Etliche Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Stellen wurden unterbreitet.
Eine grundlegende Überarbeitung ist für Projektleiterin Hanne Köhler aus Frankfurt am Main deshalb nur konsequent. Wenn der Stand der Wissenschaft nicht in das Buch der Bücher eingetragen wird, geht er an der Basis vorbei. "Wir Theologen lernen im Studium, dass es Apostellinnen gab und dass einige gut betuchte Frauen Jesus unterstützten", sagt Köhler. "In den Gemeinden ist davon bislang wenig angekommen."
Gott: weder weiblich noch männlich
Die Übersetzung soll keinesfalls die Historie ändern. Das damalige Israel war weitgehend von Männer dominiert, "allerdings weit weniger, als wir das heute glauben", sagt der hessische Kirchenpräsident Peter Steinacker. Viele anstößige Passagen wie "Die Frau schweige in der Gemeinde", sind erst später von "Kirchenvätern" hinzugefügt worden.
Ihnen ist auch zuzuschreiben, dass Gott vor allem mit männlichen Bezeichnungen versehen wurde, obwohl er nach Meinung von Frank Crüsemann weder männlich noch weiblich ist. "Das muss dann auch in der Art, wie von Gott gesprochen wird, Ausdruck finden", fordert er. In seiner Übersetzung der Schöpfungsgeschichte lässt der Professor Gott mal grammatikalisch weiblich, mal männlich auftreten: "Und Gott sah alles, was sie gemacht hatte." Dadurch könnten Christinnen und Christen etwas vom Geheimnis des Gottesnamens erkennen, hofft Crüsemann "und so endlich verstehen, was sie immer beten: 'Geheiligt werde dein Name.'"
Wenn vom Vater die Rede ist, fügen die Übersetzer an vielen Stellen noch eine Mutter hinzu oder bevorzugen geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie "Ursprung", der oder die "Ewige". Außerdem sollen weibliche Gottesnamen wie "Bärenmutter" (Hosea 13,8) und "Hebamme" (Ps 22,10) stärker betont werden.
Leser sucht sich selbst den passenden Namen aus
Wo im Deutschen "Herr" steht, sind im Hebräischen nur vier Konsonanten "JHWH" zu lesen, denn im Judentum wird der Gottesname nicht ausgesprochen. Dieser Tradition will die neue Übersetzung ebenfalls gerecht werden. So sollen jeder Gottesname mit dem hebräischen Zeichen Jod ergänzt werden. "Diese Zeichen dient als rabbinische Abkürzung des Gottesnamens und erinnert an Anführungszeichen", sagt Steinacker. Außerdem ist geplant, am Kopf jeder Seite ein Band mit verschiedenen Gottesnamen durchlaufen zu lassen. "Da kann sich der Leser den passenden aussuchen."
Welche Auswirkungen die neue Bibelübersetzung haben wird, lässt sich für die Organisatoren schwer abschätzen. "Die ersten Versuche haben gezeigt, dass Predigen mit unseren Texten schwerer ist, weil viele Fragen kommen", sagt Köhler. Ob sich die neuen Formulierungen gegen die Vorgängerübersetzungen, insbesondere von Martin Luther, durchsetzen werden, muss die Zeit zeigen. "Wir wollen ja niemandem etwas aufzwingen", sagt Steinacker. Er selbst bete auch nicht das "Vater und Mutter Unser". "Das klingt mir einfach fremd."
Ingo Senft-Werner, DPA