Kurort. Das Wort auf dem Ortsschild von Meran spult wie auf Knopfdruck Erinnerungen ab. In erster Linie an graubestrumpfte Omas - und Opas mit beigen Jäckchen. Allesamt auf der Suche nach Linderung für das ein oder andere Zipperlein des Alters. Sie erobern die Fußgängerzone auf dem Weg ins nächste Sanitärgeschäft. Oder drehen in muffiger Schwimmbadluft schweigend ihre Runden im gesunden Heilwasser. Abends bleibt vielleicht gerade noch Zeit, um im Kurpark einem Promenadenkonzert zu lauschen, ehe die Bürgersteige hochgeklappt werden.
Und tatsächlich, Meran erinnert stark an einen dieser Kurorte, die man als Kind schon immer gehasst hat und als Jugendlicher noch viel mehr. Doch nur auf den ersten Blick. Die Stadt hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite das mondäne und etwas verschlafene Kurnest, auf der anderen Seite locken modernes Design und innovative Relax-Methoden nun auch Trendsetter. Entweder zum Abtauchen in die Becken des Heilbades oder in die fantastische Bergwelt drum herum, zum Mountainbiken, Segelfliegen und Klettern.
Kaiserin Sissi war der bekannteste Kurgast
Meran ist nach der Landeshauptstadt Bozen die zweitgrößte Stadt Südtirols mit 35.000 Einwohnern und liegt inmitten eines Talkessels, umgeben von Bergen, an der Taleinfahrt des Passeiertals, des Vinschgaus und des Ultentals. Das milde Klima, die reine, heilende Luft und die Heißwasserquellen haben Meran schon im 19. Jahrhundert zu einem Mekka für Kurgäste gemacht. Bekanntester Heilgast war Kaiserin Elisabeth von Österreich, die im südlichsten Zipfel des Habsburger Reiches ihre Spuren hinterlassen hat.
Und auf diesen Spuren wandeln sie heute, die Sixtysomethings. Auf dem so genannten "Sissi-Weg" schlurfen sie quer durch Meran. Drei Kilometer Wegstrecke führen Fans der Kaiserin - die allesamt die Kaiserzeit noch erlebt zu haben scheinen - an deren wichtigsten Aufenthalts-Stationen vorbei: Schloss Rubein, wo 1870 ein Teil des mitgebrachten Hofstaats untergebracht war, Schloss Rottenstein, wo Sissi selbst einmal wohnte, genauso wie im Hotel Bavaria. Alle drei Attraktionen sind fest in der Hand der Rentner-Gangs, die in Busladungen nach Meran gekarrt werden. Höhepunkt der Tour ist ein Besuch der Gärten von Schloss Trauttmannsdorff, wo die Kaiserin zwei Mal ihr Winterdomizil aufschlug.
Heute erstreckt sich rund um das Schloss der botanische Garten. Am östlichen Stadtrand Merans gelegen und von einem Flaumeichenwald begrenzt, dehnt er sich über zwölf Hektar aus. Keine Frage, der Garten ist mit seiner Fauna einzigartig, der Blick ins Tal und in die nahe gelegenen Dolomiten fantastisch. Doch mit Gartenkunst und Ausblick scheinen eben erst ab einem gewissen Alter ihren Reiz zu entwickeln. Auf der Schlossterrasse, wo heute ein Cafe untergebracht ist, sitzen sie wieder: Die graumelierten Omas und Opas bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Obsttorte. Doch etwas stört das Idyll: die Sprechchöre des nahe gelegenen Fußballplatzes.
Vom Heilbad zum Mekka für Sportfreaks
Nicht Gärten und Kultur, sondern Sport lockt die Unter-Vierzigjährigen ins schöne Meran. Kaum eine Straße, auf der sich nicht ein Radfahrer abstrampelt, kaum ein Felshang, an dem sich kein Kletterer den schwierigen Weg nach oben bahnt. Und in der Seilbahn hinauf aufs Vigiljoch treffen die beiden Welten dann wie ein Donnerschlag aufeinander: In der einen Ecke - wie im Boxring - aus der Liga der graubestrumpften Omas - die Wanderer. Und in der anderen - aus der Liga der jungen, dynamischen Sportler - die Segelflieger, die mit ihrem Fluggerät den Sprung ins 1200 Meter tiefer gelegene Tal wagen. Und beide erfüllen sie irgendwie ihr Klischee: Kniestrümpfe, Tiroler Hut und Spazierstock in der einen, lange Haare, braun gebrannte Gesichter und Namen wie Schorschi, Hannes und Seppl in der anderen Ecke.
Die drei Paraglider mit diesem Namen wagen den Sprung heute bereits zum zweiten Mal. Angst haben die Jungs aus Garmisch nicht, obwohl blaue Flecken und Knochenbrüche an der Tagesordnung seien, sagt Schorschi. Überhaupt ist das Vigiljoch nichts für Weicheier. Wer Kondition bolzen will, steigt auf die Hochwart in 2608 Meter Höhe (grandiose Wanderung, Gehzeit knapp vier Stunden) oder fährt mit dem Mountainbike ins Tal und zurück (rasante Bergfahrten, Fahrzeit etwa drei Stunden).
Zum Showdown zwischen Alt und Jung kommt es dann am Tag darauf in der Therme von Meran. Während die einen ihr Rheuma in einem der 25 Chlor-, Thermal-, Mineral- oder Solewasserpools behandeln, suchen die anderen Linderung für ihre vom Muskelkater geplagten Glieder. Doch halt, spätestens hier stimmen die Bilder vom Kurbad von einst nicht mehr: Gelbe Kacheln, muffige Schwimmbad- Luft oder uncharmante Plastikliegen sucht man hier vergebens. Die neue Therme in Meran ist keine freudlose therapeutischen Badeanstalte mehr, sondern ein luxuriöses Mega-Spa.
Vergilbte Kacheln adieu
Mitten im Zentrum und doch im Grünen steht der eindruckvolle Kubus aus Glas und Stahl auf dem weitläufigen Thermengelände. Palmen verbreiten südlichen Charme. Gestaltet wurde das architektonische Highlight von Matteo Thun, dem Architekten aus Bozen, der der Region seinen futuristischen Stempel aufgedrückt hat. Dank ihm ist die klassische Bädertherapie hier in ein gesundes Lifestyle-Gewand verpackt. Auf ein paar tausend Quadratmetern wird viel geboten: Massage-Rituale aus aller Welt, Beauty-Treatments, fernöstliche und Anti-Aging-Medizin, ärztliche Check-ups, mentales und Ernährungs-Coaching. Zwischendurch relaxt man im schwefelhaltigen Ruhebecken oder tankt Energie im Urquellbecken.
Und nach so viel ermüdendem Badespaß werfen selbst die fittesten Sportfreaks das Handtuch. Der Showdown bleibt aus. Auch Schorschi, Hannes und Seppl liegen heute nur faul in der Sonne des Thermenparks. Irgendwo muss der braungebrannte Teint ja herkommen. Und mit dem Gedanken daran, dass es im Mai in Deutschland noch mindestens zehn Grad kälter ist, döst es sich unter der Sonne Norditaliens gleich noch mal so gut. Die Busladung mit Rentner aus Salzgitter, die gerade ankommt, weiß das schon lange.
Informationen und Service
Sehenswürdigkeiten | |
Schloss Trauttmannsdorff: Botanischer Garten mit einzigartiger Fauna und berauschendem Blick über Meran und die Dolomiten; Öffnungszeiten: von 15. Mai bis 15. September von 9 bis 21 Uhr geöffnet (letzter Einlass 20 Uhr); Preise: Einzelkarte 9,80 Euro, Ermäßigung für Familien; Adresse: St.-Valentin-Str. 51A, I-39012 Meran; /www.trauttmansdorff.it | |
Therme Meran: Futuristisch gestylte Therme mitten in Meran; Öffnungszeiten: täglich von 9 bis 22 Uhr, Außenpools bis 20 Uhr geöffnet; Eintrittspreise: 2 Stunden ab 9,50 Euro, Kinder ermäßigt; Adresse: Thermenplatz 9, I-39012 Meran, www.thermemeran.it | |
Sissi-Weg: Weg auf den Spuren der Kaiserin mitten durch die Stadt, Infos unter www.trauttmansdorff.it/Sissi-Weg.html | |
Allgemeine Informationen: www.suedtirol.info | |
Unterkunft | |
Steigenberger Hotel Meran: Von Matteo Thun entworfenes Design-Hotel, ein unterirdischer Verbindungsgang führt direkt in die Therme; Preise: DZ ab 164 Euro; www.meran.steigenberger.it | |
Hotel Aurora: Das Hotel, seit den sechziger Jahren im Familienbesitz, wurde zu einer extravaganten Designherberge umgebaut; Preise: DZ ab 134 Euro; www.hotelaurora.bz | |
Essen |