Als ich vor zwei Tagen die Hamer in Turmi besucht habe, hatte ich das Glück, an der Bullen-Springen-Zeremonie teilzunehmen. Dies ist ein Ereignis, das die offizielle Entwicklung eines Jungen zum Mann markiert - ein Initiationsritus. Er muss über so viele Kühe wie möglich laufen und springen. Allerdings ist das Bullen-Springen lediglich das Ende eines langen Tages voller Warten, Tanzen und schmerzhafter Schläge mit einem Stab.
Gegen Mittag versammelten sich viele Frauen in einem ausgetrockneten Flussbett und begannen langsam zu zu tanzen und zu singen. So warteten sie auf die Ankunft der Männer. Es war heiß und trocken und die Männer ließen sich Zeit. Als die Hitze unerträglich wurde, fingen die Frauen an, ein Loch zu graben - in 60 bis 80 Zentimeter Tiefe fanden sie Wasser. Ihr einziges Werkzeug war eine Schale aus der Kalabahfrucht (einem Kürbis ähnlich), mit ihr konnten sie das Wasser herauszuschöpfen.
Die Männer kommen!
Endlich hörte man die herannahenden Männer - die Hölle brach los. Um auf sich aufmerksam zu machen, schrien und riefen die Frauen und bliesen in kleine Hörner, die klangen wie solche, die alte Autos haben. Sie rannten hinüber zu den Männern, schnitten ihnen den Weg ab, provozierten sie mit Gesten und Bewegungen.
Ihr Ziel war es, die Männer so sehr zu provozieren, dass sie die Frauen mit einem langen, gerade geschnittenen Stock schlagen. Der Stock läuft spitz zu und peitscht dadurch hat auf die Haut. Was für uns unglaublich wirkt: Die Frauen verlangen nach möglichst harten Schlägen. Wenn die Männer nicht genug Leidenschaft zeigen, kommen sie wieder zurück. Es muss unglaublich schmerzhaft sein, man kann den Anblick kaum ertragen. Und doch zeigen die Frauen nicht das kleinste Zeichen von Schmerz. Nicht einmal ein Zucken oder ein gequälter Blick wird sichtbar, wenn sich die Stäbe tief ins Fleisch schneiden. Vollkommene Disziplin beherrscht das Bild.
Blut als Beweis der Zuneigung
Doch die Zeichen werden nur wenige Sekunden später deutlich. Blut läuft den Rücken entlang, kreuzt die Narben vom letzten Mal. Doch die Frauen lassen sich nicht stoppen. Immer wieder gehen sie auf die Männer zu und provozieren sie, um noch härter geschlagen zu werden. Die meisten Mädchen sind etwa 13, 14 Jahre alt, andere Frauen weit über 40.
Doch die Männer schlagen nicht alle Frauen. Die ganz jungen unter zwölf oder 13 versuchen ebenfalls getroffen zu werden, aber die Männer ignorieren sie. Das führt zu großer Frustration und vielen Tränen bei den Mädchen. Man kann sich sicher sein, dass all diese Frauen geschlagen werden wollen. Niemand hält sie fest, schubst sie oder ermutigt sie. Seltsame Welt, aber wer gibt uns das Recht, ein Urteil zu fällen.
Männer und Frauen - eine komplizierte Verbindung. Attraktivität wird in den verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich definiert. Dies ist wohl ein Extrem, das dabei erreicht wird.