Zwischen Theorie und Praxis liegen oft himmelweite Unterschiede. Das gilt auch - oder soll man sagen besonders? - im Fall der Altersvorsorge. Einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung zufolge sind mehr als die Hälfte der Deutschen von der Notwendigkeit der privaten Vorsorge überzeugt. Doch noch hat nach Erhebung des Instituts für Altersvorsorge (DIA) jeder Fünfte keinerlei private Vorsorge getroffen.
Und diejenigen, die bereits vorsorgen, tun dies in erster Linie mit kapitalbildenden Versicherungen wie Lebens- und Rentenversicherungen. Sie zählen mit Abstand zu den beliebtesten Altersvorsorge-Instrumenten. Statistisch gesehen hat etwa jeder Deutsche eine Lebens- und Rentenversicherung - die Kritik an der Altersvorsorgeform ist aber seit Jahren mindestens genauso laut wie die Lobeshymnen dafür. Während die einen auf das hohe Maß an Sicherheit verweisen, kritisiert die andere Seite die im Vergleich zu Fonds-Sparplänen mageren Renditen sowie die Unflexibilität.
Bei klassischen Kapitallebens- oder Rentenversicherung legt die Gesellschaft die Beiträge der Kunden gewinnbringend an. Dem Kunden wird zumindest die Garantieverzinsung gutgeschrieben sowie eine variable Überschussbeteiligung. Doch im Vergleich zu einer langfristigen Fondsanlage fallen die Renditen deutlich geringer aus.
Teuer erkaufte Sicherheit
"Altersvorsorge sollte auf verschiedenen Beinen stehen", rät Andreas Heiming, Geschäftsführer der Argentum Vermögensberatung aus Hamburg. Das Thema Sicherheit sei bei Lebens- oder Rentenversicherungen ein wichtiger Aspekt, diese Sicherheit werde allerdings teuer erkauft. Denn neben der eher mageren Rendite handele es sich in der Regel auch um völlig unflexible Produkte. "Nur wer seinen Vertrag im vereinbarten Umfang erfüllt, hat Anspruch auf die ihm zugesicherten Renten", sagt Heiming.
Ein Zahlungsausfall wegen Arbeitslosigkeit, Familienzuwachs oder Scheidung hätte fatale Folgen, die Garantien sinken drastisch beziehungsweise verfallen unter Umständen ganz. Auch eine vorzeitige Inanspruchnahme, zum Beispiel bei vorzeitigen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen, gestaltet sich schwierig und wenn, dann nur mit erheblichen Zugeständnissen. Diese in Fachkreisen Liquiditätsfalle genannte Problematik ist eher die Regel als die Ausnahme, nicht zuletzt deswegen werden 50 Prozent aller Lebensversicherungen vorzeitig gekündigt.
"Es empfiehlt sich daher, bei der Altersvorsorge auch liquide Produkte ohne Laufzeitbindungsfristen zu berücksichtigen", rät Experte Heiming. Zu den bekanntesten Vertretern gehören sicherlich Investmentfonds, deren breites Spektrum auch jede Anlegermentalität widerspiegelt. Für langfristig ausgerichtete Sparer eignen sich altbewährte Aktienfonds mit einem globalen Aktienspektrum. Durch die breite Streuung werden Schwankungen der Märkte gedämpft, die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes tendiert nach 20 Jahren in Richtung null. Wer es noch etwas ruhiger wünscht, sollte einen Mischfonds wählen, also einen Fonds der neben Aktien auch festverzinsliche Wertpapiere im Depot hält. "Abzuraten ist dagegen von Garantiefonds. Die Garantie gilt zumeist zu einem speziellen Ablaufdatum und geht deutlich zu Lasten der möglichen Rendite", erläutert Heiming.
Aktien sorgen für Performanceschub
"Wenn man langfristig eine deutlich bessere Performance erzielen will, kommt man um Aktien nicht herum", sagt Raimond Maurer, Professor für Portfoliomanagement und Alterssicherung an der Goethe-Universität Frankfurt. Aufgrund der relativ hohen Renditeerwartung gehe das Risiko, mit Aktien die reale Kapitalerhaltung zu verfehlen, mit zunehmendem Anlagehorizont immer mehr zurück. "Ein diversifiziertes Aktienportfolio bietet damit gute Chancen, die reale Kapitalerhaltung zu erreichen und sogar zu übertreffen", sagt Maurer.
Wer schon früh regelmäßig einen kleinen Beitrag zur Seite legt, kann sich im Alter über ein hübsches Sümmchen freuen. 50 bis 100 Euro im Monat reichen durchaus aus, um privat für seine Rente vorzusorgen. Am besten eignen sich dafür Fonds-Sparpläne, weil sich so das Geld in kleinen Schritten am sichersten vermehren lässt. Viele Banken, Online-Broker und unabhängige Finanzdienstleister bieten Sparpläne an, mit denen man bereits ab 50 Euro einsteigen kann.
Anders als beispielsweise bei privaten Lebens- oder Rentenversicherungen können Anleger die Sparrate jederzeit verändern, bei Bedarf auch vorübergehend ganz aussetzen oder Sondereinzahlungen vornehmen. Das Kapital ist jederzeit verfügbar. Sofern Anleger dabei auf eine breite Streuung achten, ist ihr Risiko, über lange Laufzeiten Verluste zu erleiden, überschaubar. Denn die wirklich entscheidenden Erfolgsfaktoren sind Ausdauer und regelmäßiges Sparen, wie aktuelle Zahlen des BVI, Bundesverband Investment und Asset Management, bestätigen.
Langer Atem zahlt sich aus
So erwirtschafteten Aktienfonds-Sparpläne mit Schwerpunkt Deutschland, Europa oder weltweit in den vergangenen 30 Jahren durchschnittliche jährliche Renditen von 8,5 bis 10,2 Prozent. Hätte ein Sparer in den zurückliegenden 30 Jahren monatlich 100 Euro in Aktienfonds mit dem Schwerpunkt Deutschland angelegt, stünden ihm heute stolze 215.582 Euro zur Verfügung - bei einer Einzahlungssumme von 36.000 Euro, rechnet der BVI vor. Dabei sind sämtliche Kosten inklusive der Ausgabeaufschläge schon mit berücksichtigt.
Also: Wer bereits in frühen Jahren damit beginnt, regelmäßig zu sparen, hat eine gute Chance, bis zum Rentenalter eine stattliche Summe anzuhäufen. Voraussetzung dafür ist, dass während der Sparphase der wachsende Geldbetrag nicht angetastet, sondern im Gegenteil alle anfallenden Ausschüttungen wieder reinvestiert werden. Dann sorgen Zins und Zinseszinseffekt dafür, dass sich das angesparte Kapital überproportional erhöht.