Deutschlands Schuldenwende Mit Haushaltstricks in goldene Zeiten

Das viele Jahre lang nicht gerade erfolgsverwöhnte Finanzministerium kann derzeit mit historischen Bestmarken nur so glänzen: Der erste ausgeglichene Bundesetat ohne neue Kredite seit 1969 ist in Sicht.

Die Neuverschuldung des Bundeshaushalts wird im nächsten Jahr auf dem niedrigsten Wert seit 1989 sein - und die Finanzierung des Budgets über Kredite so gering wie seit 1973 nicht mehr. Möglich wird das alles durch die seit Monaten sprudelnden Steuereinnahmen.

2011 wird ein magisches Jahr

Das magische Jahr heißt nun 2011. Angetreten war Schwarz-Rot vor eineinhalb Jahren mit dem Ziel, erst bis 2013 die Neuverschuldung auf "Null" zu drücken. Bei aller Euphorie droht aber manch hehres Ziel wieder in Vergessenheit zu geraten. Erst vor knapp zwei Wochen hatte sich Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) über die bedenklich gesunkene öffentliche Investitionsquote beklagt. Sie müsse wieder steigen. Die Finanzpläne sehen gleichwohl eine weiter sinkende Investitionsquote des Bundes auf bis zu 8,2 Prozent im Jahr 2011 vor.

Dafür klettern andere Ausgaben umso mehr. Die Koalition beschloss - die aktuell zusätzlichen Einnahmen vor Augen - neue, dauerhafte Ausgabenposten. Die Finanzierung des sich bis 2011 auf 19 Milliarden Euro auftürmenden Zuschusses an die Gesetzliche Krankenversicherung etwa funktioniert aber nur so lange, wie die Phase der Hochkonjunktur und satter Steuermehreinnahmen andauert. Das erwartete Plus der Steuerschätzung im November wurde bereits jetzt "eingepreist". Die gerade zwei Monate alte Schätzung ist hinfällig. Bleiben die erhofften Einnahmen aus, muss der Staat die neuen Ausgaben trotzdem stemmen. Es droht dann die Rückkehr alter Probleme. Denn der nächste Konjunkturabschwung kommt bestimmt. Die Frage ist nur, wann - schon vor oder erst nach 2011?

Steinbrück will an die BA-Gelder

Steinbrück greift zudem wie seine Vorgänger in die Trickkiste. Ihn wurmt es, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) dank der guten Beschäftigungsentwicklung Milliarden-Überschüsse macht, der Bund aber auf den Kosten für Langzeitarbeitslose sitzen bleibt. Die Nürnberger Agentur, die inzwischen schon Pensionsrücklagen schafft, hat sich aus der Betreuung der Langzeitarbeitslosigkeit praktisch verabschiedet.

Das will der Bund nun "fairer" regeln. Steinbrück erlässt der BA von 2008 an den Aussteuerungsbetrag, den diese für nicht vermittelte Arbeitslose an den Bund zahlen muss. Die "Strafzahlung" bringt aber nicht das, was Steinbrück sich von ihr erhofft hatte, weil weniger Menschen in das Arbeitslosengeld II fallen. Im Gegenzug muss sich die BA künftig wieder an den Leistungen für die Wiedereingliederung und den Kosten dafür beteiligen. Das soll den Bund um fünf Milliarden entlasten, deutlich stärker als über den Aussteuerungsbetrag.

Koalition wartet auf "muntere Debatte"

Ursprünglich wollte Steinbrück der BA die Zuschüsse aus der Mehrwertsteuererhöhung streichen, die 2008 auf mehr als sieben Milliarden Euro klettern. Mit den Mitteln wollte er den steigenden Krankenkassenzuschuss finanzieren, was die Union ablehnte. So bleibt es bei einem Verschiebebahnhof der besonderen Art: Die BA bekommt vom Bund Milliarden aus der Mehrwertsteuer, gleichzeitig zahlt sie den Großteil über den "Eingliederungsbeitrag" wieder an den Bund zurück.

Auch die Haushaltspolitiker der Koalition erwarten hier noch eine "muntere Debatte". Womöglich dürfte der von der BA heftig kritisierte "Eingliederungsbeitrag" nach einer positiven November-Steuerschätzung anders beurteilt werden. Auch die Forderungen der Ressorts nach neuen Ausgaben könnten dann wieder lauter werden. Endgültig verabschiedet werden die Etatpläne des Bundes schließlich erst Ende November.

DPA
André Stahl/DPA