Geld und Kredit Späterer Totalverlust nicht ausgeschlossen

Statt auf die Bundesliga kann man auch auf Aktienkurse wetten - mit Zertifikaten. Das ist manchmal gefährlich und nichts für Anfänger.

Diesem Versprechen kann eigentlich kein Mensch widerstehen: Börsengewinne, egal, ob es am Markt aufwärts- oder abwärtsgeht. Ja, sogar wenn die Kurse nur vor sich hin dümpeln, klingelt es in der Kasse. Diesen vermeintlichen Reichmachern - genannt Zertifikate - sind schon Millionen Anleger verfallen. Mehr als 100 Milliarden Euro werden pro Jahr in der noch jungen Anlageform umgesetzt. Mehr als 233 000 einzelne Zertifikattypen befinden sich mittlerweile im Handel. Und täglich kommen neue hinzu. Ein Markt, den es in dieser Größe nur in Deutschland gibt.

Die wundersame Geldvermehrung hat - man ahnt es - gewaltige Tücken:

Zertifikate sind wie Wetten.

Spekulieren lässt sich mit ihnen auf künftige Kurs- oder Preisbewegungen von einzelnen Aktien, Aktien-Körben und auf Indizes wie etwa den Dax. Aber auch auf Preise für Öl, Gas oder Gold kann gewettet werden - neulich sogar auf die Entwicklung des Milchpreises. Setzen lässt sich auf steigende Notierungen, sinkende Notierungen oder auf Stillstand. Ein Beispiel: Ein Anleger kauft ein Discountzertifikat, das an die Entwicklung des Dax-Index gebunden ist. Der Dax-Stand zum Kaufzeitpunkt beträgt - beispielhaft - 5800 Punkte. Der Anleger erhält das Papier jedoch zu einem Dax-Gegenwert von 5220 Punkten. Der "Discount" beim Kauf würde also zehn Prozent betragen. Die obere Schwelle des Papiers, der sogenannte Cap, liegt bei angenommenen 6000 Punkten. Sackte der Dax von 5800 auf beispielsweise 5500 Zähler, wäre das Discountzertifikat immer noch mit etwas mehr als fünf Prozent im Plus. Stiege jedoch während der Papierlaufzeit der Dax um zehn Prozent auf rund 6400 Punkte, erhielte ein Discountanleger statt der 23 nur rund 15 Prozent.

Um erfolgreich mitspielen zu können, müssen Anleger also gute Informationen über künftige Marktentwicklungen haben. Schon an dieser Stelle wäre laut Umfragen über das Fachwissen der Deutschen für die allermeisten Bundesbürger Schluss. Hier kommen die Anlageberater ins Spiel. Sie soufflieren, offerieren - und verkaufen. Und wehe dem, der an einen Zocker gerät, der seine bankinterne Verkaufsperformance gerade aufbessern will. Zertifikatekauf ist Vertrauenssache.

Zertifikate-Inhaber sollten ihre Anlagen selbst überwachen - andauernd.

Die Mehrzahl der angebotenen Papiere ist schwer zu durchschauen. Ein jäher Ausstieg vor Ende der Laufzeit kann je nach Börsentrend ratsam sein. Berater werden nicht immer darauf hinweisen. Zum einen, weil sie meist Hunderte Kunden zu betreuen haben. Zum anderen, weil die "Buchmacher" ihre entfernten Kollegen in den Zentralen der Hochfinanz sind. Dorthin, wenngleich in eine andere Abteilung, wandert das für Zertifikate eingezahlte Kundengeld. Damit macht die Bank dann auch auf eigene Rechnung Geschäfte. So profitieren die Banken sogar bei einem für den Anleger völlig provisions- und gebührenfreien Zertifikat. Jedes Zehntelprozentchen Gebühr oder Ausgabeprovision ist folglich Bankgewinn "on top".

Zertifikate sind keine Guthaben.

Es handelt sich um Inhaberschuldverschreibungen. Der Schuldner, also die emittierende Bank, verspricht dem Inhaber, also dem Anleger, die Ausführung eines bestimmten Geschäftes. Nicht mehr, nicht weniger. Insolvenzgeschützte Rechte, vergleichbar mit denen von Investmentfonds- Eignern, haben Zertifikate-Inhaber in der Regel nicht. Es ist freilich extrem unwahrscheinlich, dass große Emittenten wie etwa der Marktführer Commerzbank pleitegehen. Wahrscheinlicher ist, dass nicht jede Wette gewinnt. Zertifikate sind starr, einmal abgeschlossen läuft das Geschäft. Anders als bei Investmentfonds haben Zertifikate keine Manager, die im Crash die Reißleine ziehen könnten, um dann wenigstens noch Teile des Einsatzes zu retten. Bei Zertifikaten hilft nur Beten oder Verkaufen.

Tipp:

Kaufen Sie nur Zertifikate, die Sie wirklich verstanden haben. Und: Überlassen Sie die laufende Kontrolle der Investition nicht allein Ihrem Berater.

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