Die Geschichte begann am Morgen des 13. Oktobers 1980 im Hafen von Nordenham an der Weser. Gegen 4 Uhr kletterten Aktivisten einer in Deutschland bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Organisation namens Greenpeace in zwei orange-rote Rettungsinseln und befestigten sie an Bug und Ruder des Tankers "Kronos", eines Spezialschiffs zur Entsorgung des Chemieabfalls Dünnsäure in der Nordsee.
Nach vier Tagen beendete die Wasserschutzpolizei die Blockade, die Greenpeace hierzulande erstmals groß in die Medien brachte - es war die Geburtstunde der Organisation in Deutschland. 30 Jahre später ist aus der Aktivisten-Schar eine der einflussreichsten Umweltschutzorganisationen des Landes geworden. Laut einer stern-Umfrage könnten sich 26 Prozent der Bürger vorstellen, eine Greenpeace-Partei zu wählen. 74 Prozent halten die Organisation für genauso wichtig oder sogar noch wichtiger als vor 30 Jahren. 65 Prozent meinen, sie habe das ökologische Bewusststein der Republik verändern, 61 Prozent vertrauen ihr.
Die unentwegten Greenpeace-Aktionen führen allerdings auch dazu, dass 54 Prozent meinen, die Umweltschützer übertrieben manchmal. 44 Prozent halten sie für eine Lobbygruppe mit Eigeninteressen wie jede andere auch.
Die acht "Umweltpiraten"
1980 war von Lobby noch nichts zu ahnen. Gerade einmal acht eingetragene Mitglieder hatte der Verein der "Umweltpiraten", wie der "Spiegel" die Naturschützer von Nordenham in seinem Artikel zu der Aktion nannte, am Anfang. Ende vergangenen Jahres unterstützten 562.000 Fördermitglieder Greenpeace Deutschland. Bestand das logistische Rückgrat der Organisation früher aus der Hilfe unter Freunden, nahm die deutsche Sektion 2009 rund 46 Millionen Euro an Spenden ein - ein neuer Rekord. Damit ist sie die finanzstärkste nationale Greenpeace-Abteilung. Deren Experten sind gefragte Ansprechpartner für Medien, Politik und Industrie geworden. Ist Greenpeace also zufrieden mit dem Erreichten? Einerseits ja, versichert Brigitte Behrens, Geschäftsführerin der deutschen Organisation und seit 1986 dort aktiv. Mit Kampagnen für saubere Flüsse und Meere oder Protesten gegen die Atomenergie habe Greenpeace hierzulande seit den 80er Jahren viel erreicht, Aufmerksamkeit geweckt und Druck ausgeübt. "Das sind große Veränderungen gewesen." Andererseits gebe es viele ungelöste Umweltprobleme und in manchem Bereich drohten Rückschläge: "Am Anfang hatten wir gedacht, es wird eine Zeit kommen, in der wir überflüssig sind. Danach sieht es nicht aus."
Spektakuläre, stets absolut gewaltfreie Aktionen waren von Anfang an das Markenzeichen von Greenpeace. Berühmt geworden war Greenpeace international schon in den 70er Jahren - lange vor der Expansion nach Deutschland - durch Einsätze gegen Robbenjäger oder Walfänger. Die Bilder von Schlauchbooten, die von Fangschiffen bedrängt werden, prägten das Image der Organisation, die die Macht der Bilder früh erkannte. Deren Erfolge basierten auf gut strukturierten PR-Kampagnen, sagt Politik- und Kommunikationswissenschaftler Magnus-Sebastian Kutz vom Research Center Media and Communication der Hamburger Universität. "Der professionelle Umgang mit den Medien ist bis heute eine große Stärke von Greenpeace." Mit den Jahren ist das Erscheinungsbild von Greenpeace indes vielschichtiger geworden. Die Umweltprobleme haben sich gewandelt - und damit die Anforderungen an die Kommunikation. Vor 30 Jahren ging es um die Beseitigung sichtbarer Skandale. Chemikalien im Wasser führte zu Geschwüren an Speisefischen, saurer Regen ließ Wälder absterben. Heute sind die Herausforderungen abstrakter. Der Klimawandel ist gefährlich, für Einzelne aber nicht direkt erfahrbar. Zudem ist er die Folge einer bestimmten Wirtschafts- und Lebensart, nicht der Aktivität einzelner Industriezweige. Änderungen anzustoßen, ist schwieriger geworden. "Wir haben nicht mehr viel Zeit, den Klimawandel abzuschwächen", mahnt Behrens.
Längst setzt Greenpeace deshalb auch auf die Unterstützung der Bevölkerung, um das Bewusstsein möglichst vieler Menschen zu schärfen. Es gibt eigenständige Kinder- und Jugendgruppen. Rund 3500 Ehrenamtliche ermöglichen breit angelegte Aufklärungskampagnen, etwa zum Ausstieg aus der Atom- und Kohlestromerzeugung, dem derzeit wohl wichtigsten Thema für Greenpeace Deutschland. Denn seit die Bundesregierung längere Akw-Laufzeiten plant, fürchtet die Umweltschützer um das mühsam Erreichte. "Eigentlich hatten wir gedacht, das Thema sei durch", erinnert Behrens an den Atomausstieg von 2002. "Aber das war ein Irrtum."