KLEINANLEGER Müssen sie jetzt mit Rauswurf rechnen?

Die neue »Squeeze-out-Regel« führt dazu, dass es zu Zwangsabfindungen der Kleinen durch Mehrheitsaktionäre kommt. Erste Fälle, wie Brainpool, stehen an.

Wer noch Aktien des einstigen Neue-Markt-Lieblings Brainpool im Depot hat, wird sie vermutlich bald los sein. Ob er will oder nicht. Seit Anfang Januar 2002 darf ein Mehrheitsaktionär, der mindestens 95 Prozent der Stimmrechte einer Firma hält, die wenigen Kleinanleger herausdrängen. Gegen eine »angemessene« Barabfindung, die er allein festlegt. Viva Media, mit 96 Prozent Großaktionär beim Medienunternehmen Brainpool, will die neue »Squeeze-out«-Regel (Hinausquetschen) erstmals nutzen.

Nachbesserung gefordert

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fordert schon jetzt eine Nachbesserung des Übernahmegesetzes. Störende Kleinanleger sind im Fall einer Übernahme weitgehend schutzlos, argumentieren die Aktionärsschützer.

Vorteile für Großaktionäre

Für Großaktionäre liegen die Vorteile des »Squeeze-out« auf der Hand: Die Übernahme von 100 Prozent kann einen Rückzug vom Parkett erleichtern, mögliche Blockierer können rascher abgefunden, Tochterunternehmen besser in den Konzern eingegliedert werden. Fallen die wenigen Keinaktionäre weg, haben die Mehrheitsaktionäre auch den Riesenaufwand vom Hals, den ein Börsenlisting abverlangt: Organisieren von Aktionärstreffen, Hauptversammlungen, Geschäftsberichten, Publizität.

Gegenleistung nicht o.k.

»Das sind schon extreme Kosten. Da sitzt der teure Firmenvorstand bei Hauptversammlungen einen ganzen Tag rum, um sich Fragen von Kleinaktionären zu stellen, die vielleicht nur noch ein Prozent der Anteile halten«, räumt Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre ein. Grundsätzlich betrachtet kann der Squeeze-out also durchaus sinnvoll sein. Die Gegenleistung für die Minderheitsaktionäre ist jedoch nicht in Ordnung.

Abfindung kann gerichtlich überprüft werden

Weil der Großaktionär die Höhe der Zwangsabfindung selbst festlegen und von einem eigenhändig ausgesuchten Sachverständigen bestätigen lassen kann, ist »fast nicht mehr von einem fairen Preis zu sprechen«, kritisiert Straub. Der Betrag muss ein angemessenes Verhältnis zum Börsenkurs haben, heißt es zwar im Gesetz. Doch Kurse sind beeinflussbar. Die Gefahr von Manipulationen durch Verkaufen größerer Anteile ist nicht ausgeschlossen. Aktionärsschützer wollen daher Änderungen. Eine gerichtliche Überprüfung des Angebotes ist zwar prinzipiell möglich. Ein solches Verfahren kann sich allerdings über Jahre ziehen, wie Straub klagt.

Viele Firmen interessiert

Firmen, die den neuen Kehraus nutzen könnten, gibt es genug. »Dutzende börsengelistete Firmen haben einen Hauptaktionär und einen winzigen Rest von Kleinaktionären«, meint Straub. Dazu gehörten unter anderem die Volkswagen AG, die 98,99 Prozent an Audi hält, der englische Vodafone-Konzern, der 93,70 Prozent an Mannesmann besitzt, oder der Handelriese Metro, der gleich vier börsennotierte Töchter (Horten, Praktiker, Kaufhalle, Massa) dominiert. Dass sich allerdings jetzt alle potentiellen Kandidaten aufs »Squeeze-out« stürzen, ist kaum zu erwarten, zeigt sich Straub überzeugt.