WIRTSCHAFTSPRÜFER »Shareholder Value« macht Prüfern das Leben schwer

Falsche Bilanzen am Neuen Markt und sich häufende Pleiten auch großer Konzerne haben jüngst das Image renommierter Wirtschaftsprüfer geschädigt wie selten zuvor.

Der eigentlich seriöse und unauffällig agierende Berufsstand findet sich inzwischen nahezu täglich in den Medien mit dem Vorwurf allzu nachlässiger Prüfungen konfrontiert. Für Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW), ist die jüngste Krise in der deutschen Wirtschaftsprüfungsszene eine Konsequenz der drastisch veränderten Unternehmenslandschaft und -philosophie. »Ich glaube wirklich, dass die Vertrauenskrise aus dem enormen Druck vom Kapitalmarkt, aus dem Verdammtsein zum Erfolg der Unternehmen kommt«, so Naumann kürzlich bei einem Agenturgespräch in Düsseldorf.

Vertrauen schaffen

Für Naumann leisten die hiesigen Wirtschaftsprüfer nach wie vor gute Arbeit: »Die deutschen Wirtschaftsprüfer sind exzellent ausgebildet und wir haben ein hohes Maß an berufsethischen Standards«, betonte der IDW-Chef. Dies schließt allerdings nicht aus, dass zusätzliche Maßnahmen zur Schaffung von mehr Vertrauen und Sicherung der Prüfungsqualität ergriffen werden könnten, wie sie derzeit auch in der Öffentlichkeit und auf politischer Ebene diskutiert werden.

Druck durch »Shareholder Value«-Gedanken

Für Naumann sind die aktuell heftig diskutierten Bilanzmanipulationen am Neuen Markt, deretwegen auch die Wirtschaftsprüfer ins Gerede gekommen sind, vor allem das Resultat einer veränderten Unternehmenskultur in Deutschland. »Das grundsätzliche Problem liegt weniger in der Prüfungsszene, sondern in dem völlig gewandelten Verständnis der Firmen, wie gewirtschaftet werden soll«, erläuterte der IDW-Chef.

Zwang zur Rendite-Orientierung

Der Zwang des Kapitalmarktes, unbedingt rendite-orientiert und gewinnsteigernd zu arbeiten, verleitet Unternehmen verstärkt dazu, schlechte Nachrichten, die den Aktienkurs fallen lassen könnten, zu unterdrücken. Daraus kann dann sogar der Hang entstehen, Bilanzen zu manipulieren und die Wirtschaftsprüfer unter Druck zu setzen. »Erst werden eine geniale Equity-Story aufgebaut und Aktien für viel Geld verkauft, und wenn das Geschäft schlecht läuft, sagt der Vorstand: das will ich nicht im Abschluss sehen.«

»Enforcement« könnte mehr Vertrauen bringenWechsel vom Prüfer zur Firma erschweren

»Es gibt eine Reihe von Dingen, über die man nachdenken kann«, sagte Naumann. So etwa über das Problem, dass Prüfer die Seite wechseln und eine gehobene Position bei zuvor betreuten Firmen annehmen. »Das kann schon nach Befangenheit aussehen«, räumte Naumann ein. Daher akzeptiert er den Vorschlag einer »Abkühlungsphase« zum Beispiel von zwei Jahren, die zwischen der Niederlegung der Prüfungstätigkeit und der Aufnahme eines Postens bei dem betreffenden Unternehmen liegen könnte.

Rechnungslegungsnormen

Ebenfalls positiv bewertete Naumann die Idee der Schaffung einer unabhängigen Stelle (»Panel«) zur Durchsetzung der Rechnungslegungsnormen (»Enforcement«) wie sie in verschiedenen europäischen Ländern und auch in den USA bereits üblich ist. Im begründeten Verdachtsfall, auf den jedermann aufmerksam machen könnte, sollte die verantwortliche Institution eine fehlerhafte Bilanz anmahnen und das Unternehmen um Korrektur ersuchen. Allein der öffentliche Druck würde die Firma voraussichtlich zum Einlenken bewegen, prophezeite Naumann.

Offenlegung der Prüfberichte

Als weitere Maßnahme schlug der IDW-Chef vor, dass bei einer Firmenpleite Insolvenzverwalter die Prüfungsberichte der vorhergegangenen drei Jahre offen legen sollten, und so die Arbeit der Wirtschaftsprüfer inklusive möglicher Versäumnisse erkennbar machen. »Das hätte auch eine große prophylaktische Wirkung auf die Qualität der Prüfungsberichte«, denn bei einer drohenden Offenlegung gibt man sich mehr Mühe.

»Joint Audit« nicht praktikabel

Aktuelle Vorschläge einer gemeinsamen Abschlussprüfung durch mehrere Wirtschaftsprüfer (»Joint Audit«) oder eines regelmäßigen Wechsels der Prüfungsgesellschaft (»externe Rotation«) erteilte Naumann indes eine Absage. »Die Unternehmen werden für Joint Audits wohl kaum die doppelten Prüfungsgebühren zahlen.« Statt dessen dürften einzelnen Prüfer wohl weniger Geld erhalten, worauf sie die Dauer der Prüfungsarbeiten verkürzen würden, worunter wiederum die Qualität der Prüfung leiden könnte.

»Externe Rotation« schadet Fachwissen

Im Falle eines regelmäßigen Prüferwechsels, zum Beispiel alle fünf Jahre, tue sich das Problem auf, dass bei jedem Rotationsfall das Fachwissen der vorherigen Prüfer und deren Kenntnisse über das Unternehmen verloren gingen. »Von Knall auf Fall ist dann das Know-How weg«, kritisierte Naumann. Aus diesen Gründen wurde in einigen Ländern die externe Rotation auch wieder abgeschafft.

Peter Wübben