Es klingt nach einem Weihnachtsgeschenk für all jene, die 2024 vorhaben, eine Immobilie zu kaufen: Laut Statistischem Bundesamt hat sich der Preisrückgang bei Wohnungen und Häusern im dritten Quartal 2023 nochmals beschleunigt. Wohnimmobilien verbilligten sich demnach im Schnitt um 10,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist das stärkste Minus seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Im zweiten Quartal hatten die Statistiker einen Rückgang von 9,6 Prozent verzeichnet, zu Jahresbeginn lagen die 6,8 Prozent niedriger unter den jeweiligen Vorjahreszeiträumen.
Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 verbilligten sich Wohnimmobilien um 1,4 Prozent. Seit ihrem Höchststand im zweiten Quartal 2022 sinken die Preise kontinuierlich. Dieser Trend am Immobilienmarkt liegt vor allem an den kräftig gestiegenen Zinsen. Sie haben Kredite stark verteuert. Viele Menschen können oder wollen sich die eigenen vier Wände nicht mehr leisten. Das Neugeschäft der Banken mit Immobilienkrediten ist deshalb spürbar eingebrochen.
Preise: seitwärts oder steil nach unten?
Die Preise sanken sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen. In den Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf verbilligten sich Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,7 Prozent, für Wohnungen mussten Käufer im Schnitt 9,1 Prozent weniger zahlen als ein Jahr zuvor. In dünn besiedelten Landkreisen fielen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,4 Prozent, während Eigentumswohnungen im Jahresvergleich 5,6 Prozent günstiger waren.
Die neuesten Zahlen ordnen Experten allerdings unterschiedlich ein: Ronald Slabke, CEO von Hypoport, einem Technologieunternehmen für Immobilienwirtschaft, findet die Meldung zu alarmistisch. Auf dem Kurznachrichtendienst X schreibt er, dass sich der Markt aktuell eher seitwärts bewege und der große Preisverfall schon vergangenen Winter passiert sei. „Die Dramatik ist aus der Preisentwicklung ist (sic!) nun aber seit einem ganzen Jahr raus. Eigentlich. Das (sic!) morgen erneut tausende Wohnungssuchende trügerisch hoffen werden, dass Wohneigentum noch viel billiger wird, ist ein vom Amt akzeptierter Kollateralschaden“, so Slabke.
Eigentumswohnung kostet so viel wie 27 Jahresmieten
Konstantin Kholodilin, Immobilienexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bestätigt hingegen den Trend, der sich aus den Destatis-Zahlen ablesen lasse. „Nach der Wiedervereinigung gab es einen kurzen Immobilienpreisboom“, so der Wissenschaftler zu Capital. „Danach, zwischen 1995 und 2010, stagnierten die Immobilienpreise in Deutschland, laut den Daten der OECD sind sie zwischen 2001 und 2010 nur um 1,3 Prozent gefallen.“
Ab 2010 folgte dann der wohl längste und stärkste Immobilienpreisboom seit 1970, so Kholodilin: Die Preise seien zwischen 2010 und 2022 um etwa 90 Prozent gestiegen – und haben sich damit nahezu verdoppelt. Ein wesentlicher Teil davon sei spekulative Übertreibung gewesen. „Jetzt haben wir eine Preiskorrektur: Zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem dritten Quartal 2023 betrug der Immobilienpreisrückgang 9,9 Prozent. Da die spekulative Komponente noch nicht voll ausgeschöpft wurde und die Zinsen weiterhin hoch sind“, rechnet der Experte mit einem weiteren Preisrückgang, der allerdings nicht allzu lange anhalten werde. Die grundsätzliche Interpretation der statistichen Zahlen stimme: Das sei in der Tat der stärkste Rückgang – und zwar nicht nur seit 2000, sondern seit 1995. Die Blase sei geplatzt.
Auch laut einer Studie der DZ Bank zufolge dürfte sich der Abwärtstrend 2024 trotz der erwarteten Zinswende fortsetzen. „Wir rechnen im Jahresdurchschnitt mit einem Minus von einem halben bis zweieinhalb Prozent“, sagte Analyst Thorsten Lange. Wegen der sinkenden Inflation gehen viele Ökonomen davon aus, dass die Europäische Zentralbank im kommenden Jahr eine geldpolitische Wende einleiten und ihre Zinsen senken wird. Damit dürften auch Hypothekenkredite wieder günstiger werden.
Kaufen lohnt nur bei Selbstnutzung
Allerdings: Leicht wird der Hauskauf für viele Menschen trotz fallender Preise nicht, eben weil das Niveau vielerorts hoch bleibt. Und nicht nur Preise haben sich nach den DIW-Berechnungen fast verdoppelt, auch die Mieten legten zu, allerdings weniger stark: Sie stiegen zwischen 2010 und 2022 um insgesamt 53 Prozent. Derzeit koste eine Eigentumswohnung in Großstädten so viel wie 27 Jahresmieten, im vergangenen Jahr seien es noch 28 Jahresmieten gewesen.
Kaufen lohne sich für Normalverdienende in der Stadt weiterhin nur, wenn sie die Immobilie selbst nutzen, sagte Immobilienexperte Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kürzlich in einem Capital-Interview. „Wenn ich einen Zeithorizont von 15 Jahren habe, dann kann ich schon davon ausgehen, dass die Wertsteigerungen sehr stark ausfallen werden.“ Er rechnete im Herbst damit, dass die Wohnungspreise bald sogar wieder steigen werden, weil die Mieten weiterhin teurer werden und die Zinsen eher sinken.
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