Der Hamburger Hafen ist immer noch eine ziemliche Männerwelt, in der Muskeln und derbe Sprüche zählen. Doch Lydia Lehmann kümmert das nicht. Als eine der ersten Frauen in Deutschland lernt die 18-Jährige den Beruf des Hafenschiffers. "Hier kann ich mit Öl rumschmieren, ohne dass mir jemand sagt: ’Oh du bist ja dreckig’", strahlt sie. Die Schmiere gehört zum Job, denn schon bald lenkt Lydia eine der vielen kleinen Hafenfähren, die wie Busse Arbeiter zur Werft und Touristen an die schönsten Ecken der Stadt bringen. Und die Pflege der mächtigen Dieselmotoren im Stahlbauch der Fähren gehört auch zum Job des Hafenschiffers.
Sehnsucht nach der Elbe
Die junge Hamburgerin ist im Hafen erwachsen geworden. Nachdem ihre Mutter starb, hat sie ihre Familie im Streit verlassen und auf dem Wasser ihr zweites Zuhause gefunden. Zunächst hat es die damals 13-Jährige auf die Alster gezogen, aber die war ihr zu klein. Auf der großen Elbe hat sie sich wohler gefühlt. "Ich bin hier immer die Linie 62 nach Finkenwerder gefahren und hab viele Schiffsführer kennen gelernt", erinnert sie sich. Und um im Hafen möglichst viel Zeit zu verbringen, fing Lydia mit 16 an, in den Ferien und an Wochenenden auf den Hafenfähren zu kellnern. Als sie mit 18 die Realschule abgeschlossen hatte, bewarb sie sich um einen Ausbildungsplatz als Hafenschiffer. "Ich wollte unbedingt hierher und hätte ich es dieses Jahr nicht geschafft hier rein zu kommen, hätte ich mich noch mal beworben", stellt sie klar.
Bei der Hafen-Dampfschiffahrt AG Hamburg (HADAG) lernt Lydia nun in drei Jahren wie man Passagiere innerhalb des Hafens zwischen Blankenese, Övelgönne und den Landungsbrücken transportiert. "Auf hoher See braucht man keine Ortskenntnisse, aber hier im Hamburger Hafen musst du jedes einzelne Hafenbecken und jede Kaistrecke kennen", erklärt ihr Ausbilder Jan Ibendahl. Neben guten Hafenkenntnissen gehört zu Lydias Ausbildung aber vor allem körperliche Arbeit. Sie muss die Fähren reinigen, sie am Kai mit schweren Tauen befestigen, die Motoren im heißen Maschinenraum der Fähre kontrollieren und Motorenteile in der Werkstatt reparieren. 12 Schiffe ist die Hadag-Flotte groß.
Irgendwann kommt die erste Nebelfahrt
Die 18-Jährige Hamburgerin ist mutig. Vor den großen Containerschiffen auf der Elbe hat sie keine Angst. "Der Funkverkehr, der ist immer in Betrieb, darüber kann man sich ja auch noch verständigen, falls mal irgendwas passiert", stellt sie lachend fest. Ganz so unerschrocken ist Lydia aber dann doch nicht. "Ich weiß gar nicht, ob ich bei Nebel fahren würde. Wir müssen ja nicht bei Nebel fahren oder?", fragt sie ihren Ausbilder. "Irgendwann kommt die erste Nebelfahrt, vor der kannst du nicht weglaufen", stellt Ausbilder Ibendahl klar. Vor allem im November und Dezember, könne man ja nicht wegen Nebels eine Woche zu Hause bleiben. Aber Sorgen macht sich die Hamburgerin deswegen nicht.
Nach zwei Wochen Ausbildung ist Lydia stolz darauf, sich in der Männerdomäne Hafen durchgesetzt zu haben. "Meine Familie hat immer gesagt: „Du packst das nie und ich hab es doch geschafft", sagte sie.