Wenn ein Gebrauchtwagen-Händler wissen will, wie die Geschäfte laufen, genügt in der Regel ein Blick durchs Büro-Fenster auf den Hof. Drängeln sich dort die Autos, sieht es schlecht aus. Etwa 1,15 Millionen gebrauchte Fahrzeuge stehen nach Angaben des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) derzeit bei den Händlern auf Halde. Die schwache Konjunktur belastet den seit vergangenem Jahr strauchelnden Wirtschaftszweig zusätzlich. Mit 605.322 umgeschriebenen Autos meldete das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg den niedrigsten September-Stand seit zehn Jahren.
Käufer bleiben zurückhaltend
Durch den Schock der Terroranschläge zeigten sich die Käufer zurückhaltend - gegenüber dem Vormonat wechselten im September 11,6 Prozent weniger Pkw ihren Besitzer. Die wachsende Beliebtheit von Leasing-Wagen bringt immer mehr junge Gebrauchte auf den Markt, für die alten sind die Absatzkanäle nach Osteuropa verstopft - in Polen und anderswo wird inzwischen mehr Wert auf Umweltfreundlichkeit gelegt. »In diesem Jahr ballt sich alles zusammen«, meint Roland Stach, Leiter der Marktredaktion bei EurotaxSchwacke, dem Herausgeber der Gebrauchtwagen-Bibel »Schwacke-Liste«. Für kaufwillige Autofreunde hat das Überangebot jedoch handfeste Vorteile: Der Durchschnittspreis für Gebrauchte sank 2000 bereits von 16.400 DM (8.382 Euro) im Vorjahr auf 15.600 DM.
Garantie für Neuwagen verlängert
Ein Hoffnungsschimmer für die Branche ist das neue Gewährleistungsrecht ab Anfang 2002. Die Autohersteller haben die Umsetzung einer EU-Richtlinie bereits vorgezogen und angekündigt, ab dem 1.11. die Garantie für Neuwagen auf zwei Jahre zu verlängern. Die Vorbereitungen auf die geplante einjährige Gewährleistung für Gebrauchte scheinen noch nicht so weit fortgeschritten. »Ich weiß nicht, ob das in der Praxis überhaupt umsetzbar ist«, fragt sich Hartmut Ries, Geschäftsführer eines Autohauses in Offenbach. Die Kosten für Versicherungen, die das Haftungsrisiko übernehmen, können die Händler wahrscheinlich nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben. Dafür besteht die Chance, den eigenen Marktanteil gegen die Konkurrenz der Kleinanzeigen zu steigern. Mehr als jedes zweite Auto wird inzwischen privat verkauft.
Weiß als Farbe unbeliebt
Zu schaffen machen den Gebrauchtwagen-Händlern auch die gestiegenen Ansprüche der Kunden. Die Farbe weiß, im Branchenspott »Kühlschrank-metallic«, stößt inzwischen nur noch auf wenige Interessenten. »Solche Autos werden nur mit Schmerzen verkauft«, sagt ZDK-Sprecher Helmut Blümer. Ansonsten wächst die Beliebtheit mit der Ausstattung: Vor allem Airbag, Servolenkung und Klimaanlage stehen hoch im Kurs. Bei gebrauchten Diesel-Fahrzeugen und Minivans übersteigt die Nachfrage sogar das Angebot.
Neuer Vertriebsweg Internet
In schwierigen Zeiten müssen die Händler alles probieren, um ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Dem Vertriebsweg Internet könnten die aus allen Nähten platzenden Autohöfe daher einen unverhofften Aufschwung bescheren. Der Hamburger Online-Anbieter mobile.de arbeitet mit 8.000 Händlern zusammen, die über das Internet bereits 15 Prozent ihres Gebrauchtwagen-Umsatzes erzielen. Der ZDK zweifelt den Erfolg des Online-Modells jedoch an und rechnet damit, dass die meisten Anbieter nicht überleben werden. Das eigene Portal Autocity wurde schon eingestellt. Und beim Anbieter FairCar will sich der Großverlag Gruner+Jahr nach eigenen Angaben aus dem Joint Venture mit dem Auto-Dienstleister DEKRA zurückziehen.
Alexander Missal