Im antiken Griechenland wurden die Überbringer schlechter Nachrichten enthauptet. Als vor zwei Wochen die Bank anrief, blieb Cornelius Nuyken nur ein Schulterzucken. Sein halbes Leben arbeitet der 49-Jährige jetzt schon als Autoverkäufer, seit 14 Jahren hat er seinen eigenen Betrieb im Kölner Süden. "Es ist eigentlich nie anders gewesen", sagt der Besitzer des Autohauses Levi: "Die Banker dürfen ihren Kopf behalten und wir verdienen weniger Geld."
Bei dem Anruf ging es nicht um Nuykens eigene Kredite, sondern um die, die seine Kunden aufnehmen, wenn sie Geld für ein teures Auto brauchen. Die meisten Autohäuser arbeiten mit den so genannten Autobanken zusammen - einige von ihnen verdienen an den Darlehen mit. So auch Cornelius Nuyken. Für rund acht Prozent Jahreszins bot er die Kredite seinen Kunden an - fünf gingen an die Bank, die Marge dazwischen blieb in der Kasse seiner Firma. Doch nun ist damit Schluss: Nuykens Gewinn ist auf ein halbes Prozent zusammen geschrumpft. Statt fünf will die Bank jetzt mehr als sieben Prozent für sich. "Das könnten wir natürlich kompensieren, in dem wir von den Kunden höhere Zinsen verlangen", sagt der 49-Jährige, aber die Erfahrung hält ihn davon ab. "Das machen die Kunden nicht mehr mit. Die haben im Moment ohnehin kaum Geld für neue Autos." Viele würden noch nicht mal die acht Prozent zahlen - deshalb muss Nuyken oder der Autohersteller die Zinsen subventionieren. So kommen Billigzinsen, von etwa ein bis zwei Prozent, zustande.
Der Gegenwind für die Automobilbranche ist stark
Nicht nur Nuykens Bank, auch fast alle anderen verlangen mehr Geld für ihre Kredite. Wie viel genau, das will der Arbeitskreis der Autobanken nicht kommentieren, verweist aber gegenüber stern.de auf "höhere Refinanzierungskosten". Auch für sie sei es teurer geworden, sich Geld bei anderen Instituten zu beschaffen. "Das wurde ziemlich kurzfristig entschieden", sagt Cornelius Nuyken. "Früher gab es zumindest ein bis zwei Wochen Vorwarnzeit - diesmal aber haben sie nur wenige Tage vorher angerufen." Der Unternehmer sitzt am Empfang seines Autohauses im Kölner Stadtteil Zollstock, und schaut auf den weißen Opel Corsa, links neben der Eingangstür. Den würde er gerne los werden, aber heute hat noch keiner ein Auto gekauft. Geschweige denn etwas anderes. Mit Glück kommen pro Woche vier Käufer. Früher waren es doppelt so viele. Die Finanzkrise, sagt Nuyken, die spüre sein Haus - abgesehen von den teureren Krediten - zwar noch nicht. Aber es gebe ja genug andere Probleme. "Das ist im Moment die schwerste Zeit in meinem Berufsleben."
Nicht nur für ihn. Für kaum eine Branche ist der Gegenwind so stark wie für die Automobilbranche. Die Wirtschaftsflaute, das gestiegene Umweltbewusstsein und nicht zuletzt die zeitweise extrem hohen Preise an den Zapfsäulen - das alles drückt die Nachfrage. Zehn Prozent weniger Neuzulassungen gab es im vergangenen August. Daimler muss die Gewinnerwartungen deutlich zurückschrauben, bei Opel stehen die Bänder zeitweise still. Für den Winter rechnen viele Experten mit noch stärkeren Einbrüchen, darunter auch Ferdinand Dudenhöffer, Automobilwirtschafts-Professor an der Universität Duisburg. Seiner Meinung nach, so verriet er dieser Tage einer Zeitung, werde die Finanzkrise etwa 10.000 bis 20.000 Menschen im Auto-Bereich den Job kosten. Soweit will man beim Verband der Automobilindustrie nicht gehen. "Die aktuellen Zahlen spiegeln noch nicht mal die Kaufzurückhaltung durch den Benzinpreisanstieg im Sommer wieder", sagt Pressesprecher Eckehart Rotter. "Es ist für uns also noch nicht absehbar, aber es wird sicher nicht besser werden in den nächsten Monaten."
"Früher war vieles leichter"
24 Jahre Berufserfahrung - das härtet ab. Trotzdem gibt es die Momente, in denen sich Cornelius Nuyken Sorgen um die Zukunft macht. Zum Beispiel jetzt in diesem Moment. Der Computer läuft und der Unternehmer blickt auf ein Sammelsurium an Zahlen. Die meisten davon sind rot. Verglichen mit dem Jahr 2006 verdient sein Betrieb fast 20 Prozent weniger im so wichtigen Neuwagengeschäft, auch die Gebrauchtwagen sind um ein Zehntel eingebrochen. "Dafür macht die Werkstatt mehr Umsatz - man merkt deutlich, dass die Leute ihr Auto lieber reparieren lassen, als sich ein neues zu kaufen", sagt der Händler. Um die Umsatzverluste auszugleichen, reiche das aber noch lange nicht.
Vor allem, weil auch die Kunden immer preisbewusster werden. "Früher war vieles leichter", sagt Nuyken. 16 Prozent - so hoch wäre der Ertrag bei einem normalen Autokauf, wenn es nicht die Rabatte gäbe. "Teilweise lese ich von über 20 Prozent in der Zeitung", sagt der Verkäufer. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das gehen soll. Das ist ja mehr als ich an dem Auto überhaupt verdienen würde." Läuft alles gut, bleiben ihm von einem Fahrzeug im Wert von 10.000 Euro etwa 600 Euro. "Um allein meine 14 Mitarbeiter zu bezahlen, muss ich also ganz schön viel verkaufen", sagt Nuyken.
Das Autohaus Levi sei ein familiärer Betrieb. Jeder kenne sich - entlassen werde Cornelius Nuyken deshalb keinen. Zumindest nicht bis der nächste Anruf kommt.