Evakuierte Stadtviertel und verlassene Orte laden zur schnellen Bereicherung geradezu ein - denkt der Laie und irrt. Fachleute wundern sich in diesen Tagen: nur 38 schwere und 8 leichte Diebstähle hat die Polizei in Sachsen bislang »im Zusammenhang mit dem Hochwasser« registriert, wie es offiziell heißt.
Plünderung oder Diebstahl?
»Plünderungen gibt es nicht«, betont ein Polizeisprecher. Die seien vielmehr eine Erfindung der Journalisten. Das Strafgesetzbuch trennt sehr genau zwischen Diebstahl und Plünderung. Bei einer Plünderung begeht eine größere Gruppe von Menschen besonders schweren Landfriedensbruch und übt dabei Gewalt aus, beispielsweise beim Einbruch in Geschäfte. Delikte im Zusammenhang mit Notsituationen wie Hochwasser sind »nur« Diebstähle.
Neuer Ehrenkodex
Ob Plünderungen oder Diebstähle - bei zehntausenden Evakuierten und tausenden leeren Wohnungen waren Gelegenheiten da. Doch auch unter Kriminellen scheint es eine Art Ehrenkodex zu geben. Die Zahl der Diebstähle ist in den Tagen der Flut nicht explodiert. Eine Überraschung für die Polizei, und eine Beruhigung für die Hochwasseropfer. »Dort, wo nicht mal die Anwohner hingehen konnten, ist auch kein Einbrecher gewesen«, sagt ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden zur Erklärung.
Dresden war Langfinger-Paradies
Von den 38 schweren Diebstählen entfielen allein 33 auf den Regierungsbezirk Dresden. Der Großteil passierte in Dresden selbst, wo das Flüsschen Weißeritz am 13. August mit seinen Fluten in der Innenstadt für die ersten Überschwemmungen sorgte. Die Geschäfte der Einkaufsmeile entlang der Prager Straße wurden von den Fluten eingedrückt und boten ein Paradies für Langfinger. Einige konnten der Versuchung nicht widerstehen und machten sich über ein Bekleidungshaus und eine Parfümerie her.
Versuchung war zu groß
Elf Jugendliche, darunter vier junge Damen, wollten sich in dem überfluteten Modehaus »neu einkleiden«. Das Wasser hatte die Kleidung aus den Schaufenstern gespült und zur verbotenen Selbstbedienung eingeladen. Der Jüngste der von der Polizei gestellten Diebe zählte gerade elf Jahre. In den überfluteten Treppenaufgängen der Parfümerie schwammen die Flakons mit Aromen von herbem Moschus bis Frühlingswiese. Fünf Männer wurden festgenommenen. Damit hat sich die Kriminalstatistik rund um die Flut schon fast erschöpft. 12 weitere Delikte seien gezählt worden, teilt eine Sprecherin des Innenministeriums mit. Aber das waren ohne Übertreibung wohl nur Lappalien.