Manchmal zeigt sich Macht in einer trockenen Frage. Der Architekt stellt gerade den Entwurf für die Lobby eines Hotels vor. Preist die Rohre an der Decke und die Betonwände als "Shabby-Chic". Lobt den "industriellen Charakter", der freilich nicht "zu trashig" wirken dürfe. Mehr als eine halbe Stunde hört Kurt Zech ihm zu, bis er unruhig wird. Er tritt vor die Skizzen, die sein neues Hotel zeigen. Dann feuert er die Frage ab, die keine ist. "Würden Sie so Ihr Wohnzimmer einrichten?" Stille im Raum, Grinsen auf Gesichtern. "Ich finde das cool", sagt der Architekt. Da haben die anderen in der Runde längst begriffen: so nicht.
Kurt Zech wirkt immer freundlich. Unterschätzen sollte ihn aber niemand. Wenn Gesprächspartner hierhin und dorthin schweifen, wird der 61-Jährige ungeduldig. Er mag es pragmatisch: zuhören, nachfragen, rechnen, entscheiden – und dann machen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist er so zu einem der mächtigsten Baumagnaten der Republik aufgestiegen, zum größten Projektentwickler für Immobilien, zum größten Agrarunternehmer und jetzt auch noch einem der größten Reeder. Er errichtet Wohnhäuser, Einkaufszentren und Staudämme. Er führt Hotels, lässt Felder bewirtschaften und Schiffe über die Weltmeere kreuzen. In sieben Branchen ist er aktiv. Er investiert, sobald er ein Geschäft wittert. Und er lässt sich wenig entgehen. Kurt Zech ist ein Firmenjäger.
Kurt Zechs Familie soll über 700 Millionen Euro verfügen
In dieser Woche gab er bekannt, die Schifffahrtsgeschäfte von Erck Rickmers zu übernehmen, einem der traditionsreichen Hamburger Reeder. Vor ein paar Monaten hatte Zech schon die Flotte von dessen Bruder Bertram übernommen, jetzt kommen noch einmal fast 81 Frachter und 3000 Mitarbeiter dazu.
August-Bebel-Allee 1 in Bremen. Zwischen dem wohlhabenden Schwachhausen und dem früheren Brennpunkt Vahr, auf der Nahtstelle der Stadtteile, liegt die Zentrale der Zech Group. Der Ort passt. Zech stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sich hochgearbeitet. Jetzt wohnt er nicht weit von hier in einer Villa unter alten Bäumen – eine der feinsten Adressen seiner Heimatstadt. Seine Familie steht auf der Reichsten-Liste. Sie soll über 700 Millionen Euro verfügen.
An diesem Morgen arbeitet der Chef im Büroturm. Während die Mitarbeiter ansonsten gedrängt sitzen, herrscht "im Siebten" – so heißt die Etage der Macht intern – respektvolle Leere. Im Flur hängen Fotos renommierter Projekte. In Düsseldorf baute er mit Stararchitekt Daniel Libeskind den Kö-Bogen. In Essen mit David Chipperfield am Folkwang-Museum. In Hamburg gestaltet er den Alten Wall am Rathaus neu.
Es ist acht Uhr, die erste Telefonkonferenz hat Zech schon hinter sich. "Entschuldigen Sie die Unordnung in meinem Büro", sagt er und eilt über das Eichenparkett ins Eckzimmer. Auf der breiten Schreibtischplatte türmen sich Mappen, Klarsichthüllen, Aktenordner, Hängeregister. Hunderte Projekte. Lauter wilde Haufen. Sie lassen erahnen, wie es im Kopf des Unternehmers aussehen mag, wo eine Idee die nächste verdrängt. Täglich druckt Zechs Sekretärin seinen Terminkalender auf Papier aus. Viele Seiten. Zech trägt sie bei sich, unter dem Sakko. Sie sind sein Taktgeber.
Morgens Baustelle planen, dazu ein paar Anrufe. Vormittags Hotel entwerfen und Stadtumbau vorantreiben. Mittags mit Freunden bei Schnitzel und Weißwein neue Deals besprechen. Nachmittags die Zahlen von Tochterfirmen bewerten. Abends dann Werder-Aufsichtsrat, in dem er seit gut einem Jahr sitzt. Anderntags mit der Firmen-Cessna nach Sylt ins eigene Luxushotel. Auf dem Rückweg in Hamburg einen Reeder treffen. So geht das. Viel Tempo, häufig am Handy, bis zu 50 Telefonate am Tag, sagt er.
Die meisten Firmen hat Zech nicht selbst gegründet
Das Bürotelefon klingelt. Ein Geschäftsführer von Art-Invest Real Estate, einer Tochterfirma aus Köln. Er hat den Auftrag für ein Gebäude ergattert. "Herzlichen Glückwunsch", sagt Zech und fragt nach Details: "Wie viele Kräne brauchen Sie für den Bau?" Klingt schlicht, ist aber entscheidend, erklärt er hinterher. Niedrige Zinsen und Wohnungsnot in den Städten beflügeln die Bauwirtschaft. Auf etwa 450 Baustellen hat Zech aktuell das Sagen – Kräne und Gerüste sind dabei so begehrt, als wären sie aus Gold.
Art-Invest ist nur eine der vielen Tochterfirmen. Der Patriarch herrscht über ein kompliziertes Geflecht. Er ist laut Handelsregister an mehr als 500 Gesellschaften beteiligt, davon mehr als 300 operativ tätige Firmen. Die meisten hat er rund um den Bau gesammelt. Bau- und Umwelttechnikfirmen, Projektentwickler, Industriedienstleister, Beratungen, die sich oft gegenseitig Aufträge bescheren.
Das Besondere: Die meisten Firmen hat Zech nicht selbst gegründet. Er hat sich ihre Reste geschnappt. Wenn anderen die Pleite droht, geht es für ihn erst los. "Krisenfälle wecken meinen Ehrgeiz", sagt er. "Viele Firmen haben gute Kerne." Bei einer Pleite nimmt Zech sich Betriebe ohne alte Rechnungen und mit weniger Mitarbeitern. Wenn andere schon verloren haben, will er gewinnen. Er verhandle hart, übertreibe es aber nicht, sagt ein Insolvenzverwalter.
Ständig wird ihm frische Beute angeboten. Dann rufen Unternehmer an oder Insolvenzverwalter. Das Blackberry klingelt. Rüdiger Grube, der frühere Bahnchef, ist dran. Grube arbeitet jetzt für die Investmentbank Lazard. Er habe da was zum Kauf, eine Firma, sicher interessant. Zech brummt. Man kennt sich gut, aber er kann jetzt nicht frei sprechen. "Ich melde mich."
Etwa einmal im Monat schlägt Zech zu. Bei kleinen Firmen und bei großen. 2015 übernahm er das Deutschlandgeschäft des Skandal-Baukonzerns Imtech. 2016 kaufte er Teile vom insolventen Agrarkonzern KTG und hat jetzt so viele Äcker wie kein Bauer im Land. Von Hochtief hat er die Mehrheit des Brasiliengeschäfts erworben. 2017 griff er sich die Holding des älteren Rickmers-Bruders und rettete dessen Reederei so vor dem Aus. 2018 folgt nun die Firma des jüngeren Rickmers-Bruders.
In Zechs Turmbüro stehen Ledersessel um einen Couchtisch, darauf liegen weiße Papierrollen. Was das sei? "Nur zu, schauen Sie", sagt er. Zum Vorschein kommen verzweigte Organigramme mit Namen in winziger Schrift: Firmen und Mitarbeiter. Als sei es der irrwitzige Versuch, sich all die Köpfe zu merken. Die Zeiten, in denen Zech die Mitarbeiter persönlich kannte, sind vorbei. Vom Vater hatte er nach der Lehre bei der Sparkasse zwei Mitarbeiter, einen Lkw und eine gebrauchte Betonmischmaschine übernommen. Heute beschäftigt er mehr als 9500 Menschen und sehr viele Betonmischmaschinen.
Einen Fahrer hat er nicht, er lenkt selbst
Der Umsatz der Gruppe und der unternehmensnahen Gustav Zech Stiftung lag 2017 bei etwa 2,4 Milliarden Euro, in den Orderbüchern stehen Aufträge über 2,5 Milliarden Euro. Das Geld sprudelt, getragen vom Immobilien-Boom. Das Wachstum der Gruppe ist zweistellig, die Renditen sind es ebenfalls. Die Firma habe eine Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent, sagt Zech. So robust sind nur wenige Mittelständler finanziert, wenn auch von außen die Stabilität der Gruppe nicht ganz durchschaubar ist.
Zech jedenfalls hat so viel Geld, dass er bei Banken immense Kredite bekommen und Übernahmen auch über eine Milliarde Euro stemmen könnte. In Bremen sagen sie, der Zech sei ein Baulöwe. Richtig ist: Er kann jederzeit angreifen.
Termine in der Innenstadt, Zech nimmt den S-Klasse-Mercedes, mattbraun wie ein Milchkaffee. Einen Fahrer hat er nicht, er lenkt selbst. Er liebt Autos, privat sammelt er Oldtimer, im Sommer fuhren er und Ehefrau Maja bei einer Oldtimer-Rallye mit.
Die Freisprechanlage klingelt, der Chef von Zechs Schifffahrtsfirma Zeaborn. Der Mann braucht Rat, er verhandelt gerade mit einem Fast-Pleite-Reeder über dessen Reste. Die Ideen für den Kaufpreis klaffen auseinander. Zech fragt nach Frachtern, Konditionen, Steuermodellen. Er schüttelt den Kopf. "Ablehnen. Zu teuer." Mit dem Zeaborn-Chef will er später weitersprechen. Zech notiert es mit Kuli auf seinen Zetteln. Soll die Sekretärin bitte einpflegen.
Mehr als acht Jahre liegt die Schifffahrt jetzt am Boden. Zech ist trotzdem eingestiegen und hat schon Geld verbrannt. Doch er kann warten, er hat keine Bank im Nacken. Zuletzt habe er viele berühmte Reeder persönlich getroffen, erzählt er. Bernd Kortüm, Jochen Döhle, Bertram und Erck Rickmers. Er hat zugehört und nachgefragt. Das macht er immer so, bevor er eine Branche kapert. Er frisst Details und vergleicht Geschäftsmodelle. "Kurt ist sehr zahlengetrieben", sagt ein Unternehmer, der ihn gut kennt.
Der Bremer ist so zu einem der mächtigsten Reeder aufgestiegen – ohne dass man das in der stolzen Reederstadt Hamburg richtig kapiert hätte. 165 Schiffe fahren nach der neuesten Übernahme für seine Zeaborn-Firma mit mehr als 5000 Mitarbeitern auf See. Und Zech will mehr. "Ich möchte die Flotte auf mehr als 200 Schiffe ausbauen." Er glaubt, dass viele Reeder nie ordentlich saniert hätten – und dass er das besser kann.
Geschäftliches und Privates sind verflochten
Ein Firmenfledderer ist der Investor nicht. Anders als klassische Heuschrecken päppelt er Pleitebetriebe nicht auf, um sie teuer weiterzuverkaufen. Er will sie behalten. Seine Teams und kurzzeitig angeheuerten Berater rechnen jede Übernahme durch. Meistens beteiligt sich Zech mit mehr als der Hälfte. Denn wer das Sagen hat, bestimmt die Strategie. Die restlichen Anteile halten andere Unternehmer, die oft auch die Betriebe führen. "Wir vereinbaren Ziele, und ich lasse den Partnern viel Freiheit", sagt Zech.
Sehr oft darf die Firma Namen und Sitz behalten. Das hat seinen Aufstieg verschleiert. "Drei Viertel vom Erfolg werden von Firmen erwirtschaftet, die nicht Zech heißen", sagt Zech. Sie heißen Alpine Mayreder oder Phoenix Real Estate.
In seinem Turm laufen vor allem die Zahlen zusammen, Controlling und Buchhaltung sitzen hier, das ist Zechs Bedingung. Gut zweimal im Jahr kommen die Partner zu ihm in den Siebten und erklären ihre Ergebnisse. "Wir verstehen uns als Kontrolleure und als Coach."
Zech parkt den Mercedes vor dem "Hotel Atlantic" und drückt der Empfangsfrau den Schlüssel in die Hand, ihm gehört der Laden. Er betreibt 22 Hotels, die meisten mit dem Bremer Joachim Linnemann. Um sich hat er ein Netz aus Unternehmer-Freunden gesponnen. Geschäftliches und Privates sind verflochten.
Sein jüngster Plan: Zech will die Herzen der Bremer zurückerobern. Denn es gab diese unschönen Jahre zwischen 2000 und 2007. Ihm wurde Korruption angelastet. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn und andere wurden damals alle ohne die Zahlung von Geldbußen eingestellt. Ein Untersuchungsausschuss im Senat lief ins Leere. "Die Vorwürfe waren völlig haltlos", sagt Zech. In Bremen sind einige aber bis heute sauer auf ihn und die "sehr zweifelhaften Umstände". "Der zieht Projekte mit voller Wucht durch", sagt ein Politiker, der diese Phase miterlebt hat.
"Hier wird niemand Chef, nur weil er Zech heißt"
Zech hatte damals das Weser-Stadion umgebaut, das Polizeipräsidium neu gestaltet, fünf Hotels in der Stadt aufgemacht. Nach der Affäre blieb er in Bremen wohnen, baute aber lieber anderswo. "Er hat unter den Vorwürfen sehr gelitten", sagt sein Freund Linnemann.
Jetzt will Zech es noch einmal wissen. Gemeinsam mit Christian Jacobs, dem Erben der Kaffee-Dynastie, will er die Innenstadt sanieren. Die Stadt begrüßt den Plan. Zech sei keine Heuschrecke, sagt Bausenator Joachim Lohse von den Grünen. "Aber wir wollen mitbestimmen."
Was in fünf Jahren ist? In Zechs Büro hängt ein Foto der drei Kinder. Die Töchter sind in den Zwanzigern, der Sohn ist ein Teenager. Jedem hat Zech ein Viertel der Gruppe übertragen, das spart Steuern. Wer die Gruppe künftig führen soll, sei ungewiss. "Hier wird niemand Chef, nur weil er Zech heißt", sagt Zech. Aufhören will er jedenfalls nicht.
Der Artikel über Kurt Zech ist dem aktuellen stern entnommen: