Die weltweite Luftfahrtkrise nach der Terrorserie am 11. September 2001 hat die Lufthansa noch gut weggesteckt. Doch Konjunkturflaute, Irak-Krieg, SARS und nicht zuletzt der Billigflieger-Boom haben dem deutschen Branchenprimus nun massiv zugesetzt. Der Vorstand spricht von einer "dramatischen Lage" und einem hohen operativen Verlust im ersten Quartal. Die Folge sind Kurzarbeit und Kapazitätsabbau, weitere Kostensenkungsmaßnahmen werden nicht ausgeschlossen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es aber nicht geben.
Anleger reagierten geschockt
Obwohl die Branchennöte lange bekannt sind, waren die Anleger von der Gewinnwarnung am Dienstagabend offenkundig geschockt, denn der Kurs brach zeitweise um sieben Prozent ein und schloss um mehr als sechs Prozent unter dem Vortag.
Frühe Warnungen ignoriert
Dabei hatte das Unternehmen schon mehrfach in diesem Jahr durch Kapazitätsanpassungen oder Äußerungen von Vorstandschef Jürgen Weber auf die Lage aufmerksam gemacht. So sprach Weber Ende März von der "größten Krise der Weltluftfahrt", die zudem durch den Irakkrieg verlängert werde. Nachdem auch noch SARS ein Thema wurde, erklärte Weber Anfang April, sein Unternehmen wolle flexibel auf die Flugstornierungen wegen SARS reagieren, denn: "Wir wollen keine leeren Flugzeuge durch die Gegend fliegen." Auch kündigte er schon an, sein Unternehmen habe bereits für den "besonderen Krisenfall" in einem Tarifvertrag vorgesorgt.
Kurzarbeit und neue Gespräche
Auf letzteren wird jetzt zugegriffen: Mit den Betriebspartnern sei der Krisenfall festgestellt worden, ab dem 15. April solle für alle in Deutschland beschäftigten Boden-Mitarbeiter der Lufthansa Passage Airlines die wöchentliche Arbeitszeit um 1,5 Stunden auf 36 Stunden ohne Lohnausgleich reduziert werden. Außerdem wird für die Kabinenmitarbeiter Kurzarbeit eingeführt. Die Gespräche mit den Tarif- und Betriebspartnern liefen bereits. Für das Cockpitpersonal sollten umgehend Verhandlungen mit dem Tarifpartner aufgenommen werden. Diese werden nach Angaben des Sprechers der Pilotengewerkschaft Cockpit, Georg Fongern, bereits am heutigen Mittwoch beginnen. Fongern erklärte dazu, "wir gehen mit der Haltung, lassen wir uns mal überraschen in die Gespräche". Dabei gelte für Cockpit: "Was verlangt wird, muss plausibel sein." Sollte dies so sei, könne man auf "temporärer Basis" schauen, was möglich ist.
Billigflieger-Boom auch ein Grund
Für Union-Investment-Analyst Thomas Meier kam die Gewinnwarnung schon allein wegen der allgemeinen Branchenkrise nicht wirklich überraschend. „Vollkommen aus dem Himmel ist das nicht gekommen.“ Dabei schätzt Meier die Einflüsse der einzelnen Faktoren höchst unterschiedlich ein. So seien die Folgen des Irak-Krieges seiner Ansicht nach eher begrenzt.
SARS verschärft Situation
"Etwas schlimmer ist da schon die Lungenkrankheit SARS." Asien-Flüge sind ein bedeutender Anteil im Geschäft mit den Business-Class-Kunden. Ihr Anteil liegt bei Asien-Reisen höher als zu anderen Zielen. Und: "Sie sind gute Zahler", so Meier. Die Lufthansa zählte im vergangenen Jahr insgesamt rund 44 Millionen Passagiere, etwa drei Millionen davon in die Region Asien-Pazifik.
Auswirkungen der Konjunkturflaute
Die Auswirkungen der Konjunkturflaute gebe es weiter, zumal die Budgets der Firmen auch für Flüge weiter zusammen gestrichen würden. Auf der anderen Seite stehe bei der Lufthansa eine relativ hohe Fixkostenbasis. Doch Meier bemerkt positiv: "Die Lufthansa hat in der Airline-Branche das beste Management." Dennoch sehe es auch für die Lufthansa derzeit nicht gut aus. Dafür sei nicht zuletzt verantwortlich, dass zu Jahresanfang in Europa die Preise branchenweit relativ stark gesenkt wurden, damit Easyjet sich nicht noch stärker auf dem Markt ausdehnen konnte.
Hohe Preissensibilität
Uwe Weinreich vom HypoVereinsbank Equity Research erklärt, bisher habe sein Haus für das erste Quartal mit einem Verlust von maximal 120 Millionen Euro für die Lufthansa gerechnet. Jetzt würden mehr als 300 Millionen erwartet. Beeinflusst sei dies durch die wirtschaftliche Lage, die in Deutschland im Europa-Vergleich die schlechteste sei. Die Kunden flögen nun "mehr Economy, weniger Business", also günstiger. Die so genannten Low Cost Carrier mit ihren europäischen Regionalverbindungen erhöhten zudem die Preissensibilität. Das seit dem Winterflugplan 2002/03 geltende Tarifkonzept der Lufthansa - initiiert, um mit massiven Preissenkungen der wachsenden Konkurrenz von Billigfliegern die Stirn zu bieten - habe dem Unternehmen zwar mehr Passagiere gebracht, wie auch die Verkehrszahlen im ersten Quartal zeigten. Aber, so Weinrich: "Die zahlen weniger."