Immer mehr Siemens-Mitarbeiter geraten Medienberichten zufolge wegen der Korruptionsaffäre ins Visier der Staatsanwaltschaft. Weder der Konzern noch die ermittelnde Münchner Staatsanwaltschaft wollten allerdings Medienberichte kommentieren, wonach ein Konzernvorstand und zwei Mitglieder der Revisionsabteilung angebliche Korruptionsvorgänge wissentlich geduldet haben sollen.
Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) berichtete, dass zwei in Haft befindliche geständige Ex-Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen den Konzern erhoben haben sollen. Ein Mitarbeiter soll demnach vor den Ermittlern ausgesagt haben, dass aus der so genannten Compliance-Abteilung, die für interne Gesetzeskontrollen und Korruptionsbekämpfung zuständig ist, zwei Führungskräfte über die schwarzen Kassen im Bilde gewesen sein sollen und sogar versucht hätten, deren Existenz zu vertuschen.
Siemens will keine Stellung nehmen
Siemens-Sprecher Peik von Bestenbostel sagte, das Unternehmen wolle zu angeblichen Ermittlungsdetails ohne nachvollziehbare Quellenherkunft keine Stellung nehmen. Als reine Spekulation bezeichnete er zudem einen Bericht des Magazins "Focus", wonach die Ermittler auch eine Vernehmung von Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld planten und ihn befragen wollten, ob er von den Schmiergeldzahlungen gewusst habe. "Uns liegen keine Informationen über eine Vorladung vor."
Die Münchner Staatsanwaltschaft kündigte an, sich erst wieder kommende Woche zum Fall Siemens äußern zu wollen. Ein Behördensprecher wollte Berichte der "SZ" und des "Spiegels" nicht kommentieren, wonach ein Mitglied des obersten Konzernvorstands bereits vor den ersten Ermittlungen Anfang 2004 über schwarze Kassen der Telekommunikationsparte Siemens-Com und drohende strafrechtliche Probleme informiert gewesen sein soll. Laut "SZ" soll einer der inhaftierten Verdächtigen ausgesagt haben, er habe das Vorstandsmitglied gewarnt, dass der Einsatz von Schmiergeldern reduziert werden müsse, da strafrechtliche Probleme drohten.
"Das muss personelle Konsequenzen haben"
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger forderte unterdessen von Siemens eine rasche und vollständige Aufklärung der Schmiergeld-Vorwürfe. "Das muss personelle Konsequenzen haben", sagte der Sprecher der Aktionärsschützerorganisation, Michael Kunert. Bei Siemens müsse von unten bis nach oben durchleuchtet werden, wer von der Affäre etwas gewusst und nichts weiter gemeldet habe. "Und wer davon gewusst hat, der muss gehen", so Kunert weiter.
Auch der Verein Ethikverband der Deutschen Wirtschaft forderte die Wirtschaft auf, stärker dafür zu sorgen, dass ethische Unternehmens-Grundsätze eingehalten werden. Sonst werde der Gesetzgeber gezwungen sein, bisherige Selbstverpflichtungen zu juristischen Standards zu machen. Der Ethikverband-Chef Ulf Pose sagte, die aktuellen Fälle zeigten, dass viele Führungsgrundsätze der Unternehmen "das Papier nicht wert sind, auf das sie gedruckt sind".