Als Kunde hacke ich genauso gerne auf der Telekom herum wie alle anderen auch, die sich schon mal einen wertvollen Urlaubstag nehmen mussten, um vergeblich auf einen Telekom-Techniker zu warten oder denen ein heimtückischer Call-Center-Mitarbeiter nach einem eh schon lästigen Anruf einen neuen, teureren Tarif auf die Rechnung setzte. (Andererseits kenne ich auch Alice-Kunden, die noch viel schlimmere Geschichten erzählen können - von wahnwitzig überhöhten Rechnungen oder qualvollen Arbeitstagen im Home Office mit toter Leitung.)
Als Sohn wünsche ich mir, dass der Kurs der T-Aktie endlich mal wieder Auftrieb bekommt. Schließlich hat mein Vater eine Menge Telekom-Aktien in seinem Depot. Und ich habe ihm vor nicht allzu langer Zeit geraten, diese zu halten, ja sogar einige hinzu zu kaufen. Diesen Rat bereue ich inzwischen.
Als Steuerzahler wünsche ich mir auch einen steigenden T-Kurs. Denn wenn Finanzminister Steinbrück Teile seines Pakets losschlägt, sinkt das Staatsdefizit dann umso stärker.
Als Journalist und Beobachter des Marktes kann ich Telekom-Boss Obermann verstehen, wenn er die teils echt üppigen Löhne der Service-Mitarbeiter und die noch knapper als in Frankreich bemessenen Arbeitszeiten beschneiden bzw. verlängern will. Er muss Kosten senken in dem Riesenladen. Die Betroffenen müssten sich mit weniger Geld zufrieden geben, stünden aber immer noch weit besser da als Mitarbeiter mit Mini-Löhnen in unabhängigen Call-Centern. Die Beamten haben sowieso eine Beschäftigungsgarantie, die Angestellten könnten versuchen, sie auszuhandeln.
Als Kollege - ich bin selbst seit über zwanzig Jahren Verdi-Mitglied - bin ich solidarisch mit den Telekom-Kollegen, die nicht kampflos ihren Lebensstandard absenken wollen. In ihrer Lage würde ich auch streiken.
Einen Ausweg aus der Telekom-Krise kann es wohl nur geben, wenn hoch motivierte Mitarbeiter attraktive Produkte ohne Zwangsabzock-Komponenten wie überteuerte Telefon-Flatrates zu fairen Preisen mit dem besten Service der Branche verkaufen. Das kann man von einem Marktführer erwarten, der immer noch die entscheidenden Teile des Telefon- und Datennetzes kontrolliert. Diese "neue" Telekom, eine Art Telekom 2.0, wäre dann auch wieder ein Kundenmagnet. Und auch Manfred Krug könnte dann wieder ruhiger schlafen, weil die "Volksaktie" mit einem steigenden Kurs ihrem Namen endlich gerecht würde.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die streikenden Telekom-Mitarbeiter wohl verzichten - auf Einkommen und auf Freizeit, um den kränkelnden Riesen wieder in Fahrt zu bringen. Ein befriedigender Ausweg aus dem Telekom-Dilemma ist das nicht, aber unter den Umständen wohl der beste.